Regieren sie noch oder (wahl-)kämpfen sie schon?

Wer die Wortmeldungen von Ampelpolitikern hört – manchen Menschen haben auch Wichtigeres zu tun … – , der bleibt mitunter ratlos zurück, ob man von Regierungs-Bündnis noch sprechen kann. Grünen-Politiker Anton Hofreiter bezichtigt den Kanzler im Streit um Drohnen-Lieferungen an die Ukraine der «Unredlichkeit» und der Verbreitung von Falschinformationen, was man bei anderem Absender vermutlich als Fake News übersetzt hätte.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki rückt die Massnahmen «gegen rechts» von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Interview mit Nius offen in die Nähe von Demokratiefeinden, und wer den Schlagabtausch zwischen SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verfolgt hat, hält einen Einsatz von Bodentruppen im Innern (der Koalition) nicht mehr für ausgeschlossen.

Kein Wunder also, wenn Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz sich offen Gedanken über mögliche Neuwahlen macht. Die Gemeinsamkeiten der Koalition sind erkennbar aufgebraucht. Wer braucht die Ampel noch?

Solche Überlegungen für einen vorfristigen Urnengang hat Kubicki nun im Spiegel harsch zurückgewiesen. «Dass er jetzt aber in einem Anflug von Grössenwahn selbst bestimmen will, wann der Bundestag neu gewählt werden soll, ist schon ziemlich peinlich», kofferte der Bundestags-Vizepräsident Kubicki gegen Merz. Die FDP plane auch keinen Ausstieg.

Das ist gut zu wissen, denn Augen- und Ohrenschein legen mitunter andere Schlüsse nahe. Denn es ist vor allem die FDP, die oft genug zu Recht den Zustand Deutschland in alarmgrellen Farben malt. Kubicki selbst hatte etwa davon gesprochen, dass Deutschland abgehängt werde und noch tiefer in die Rezession rutsche, «wenn wir nicht schnell das Ruder herumreissen». Da aber von den Ampelpartnern ausser den Liberalen niemand etwas am Kurs ändern noch irgendetwas herumreissen will, bleibt alles beim Alten.

Schön, dass wir drüber gesprochen haben.

Die bittere Wahrheit ist: Die FDP versucht derzeit das Beste aus beiden Welten einzusammeln und sich als regierende Opposition zu profilieren. Motto: Wir haben verstanden und machen nur noch die Amtszeit fertig. Denn in Wirklichkeit gibt es keinerlei belastbare Anzeichen für einen Koalitionsbruch. Weder werden Themen als plausibler Scheidungsgrund eskaliert, noch kündigt sich das Spitzentrio aus Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) das persönliche Vertrauen auf.

Überzeugungen sind gut, regieren ist besser. Darum heiter immer weiter, und wenn der Wahlbürger Frust schiebt, müssen Alternativen halt verboten und für mehr Demokratie demonstriert werden.

Läuft für die Ampel …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "CDU-Chef Merz macht sich offen Gedanken über Neuwahlen. FDP-Kubicki sieht darin einen «Anflug von Grössenwahn». Wie weiter mit der Ampel?"
  • charlych

    Man muss für das Verbleiben der FDP in der Ampel Verständnis aufbringen, denn es dürfte sehr wohl die aller letzte Teilhabe dieser Umfallpartei in einer Regierung gewesen sein. Alles was die FDP als ehemalige Wirtschaftspartei ausmachte, kann heute Frau Weidel und die AfD besser. Sie werden wohl mit einer "Nach Merz und Merkel-CDU" dauerhaft das Land regieren dürfen.

  • Ernemann7b

    Kubicki soll den Mund mal nicht so voll nehmen. Es ist doch die FDP gewesen, die immer ihr Fähnchen in den Wind gehangen hat. Hätte man dort Ehre im Leib, wäre diese Ampel schon längst Geschichte. Und wollen wir doch mal ehrlich sein. Lindner als Finanzminister ist die gleiche Nullnummer wie Derjenige im Wirtschaftsresort.

  • Falko

    Dem Kubicki ist es doch egal. Laut Interview mit Ralf Schuler, geht er demnächst in Politikerrente alle Schäfchen sind im trockenen und somit wird er sich nicht mehr so weit aus dem Fenster lehnen. Ich hätte trotzdem mehr Rückrat von Ihm erwartet. Naja reden kann man viel aber machen...