Alexander Van der Bellen, der grüne Staatspräsident von Österreich, hat vor einiger Zeit mit einem etwas abenteuerlichen Demokratieverständnis aufhorchen lassen.

Er würde eine Regierung unter der Freiheitlichen Partei (FPÖ) nicht ins Amt setzen, so Van der Bellen. In Österreich muss der Präsident einer Regierung den Segen geben beziehungsweise «angeloben», wie es dort heisst.

Vielleicht kann er bald zeigen, ob er das ernst gemeint hat. Laut der neuesten repräsentativen Umfrage des Nachrichtenportals oe24.ch kommt die FPÖ derzeit auf 30 Prozent Wähleranteil. Ihren Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten Herbert Kickl würden bei einer Direktwahl sogar 31 Prozent der Österreicher wählen.

Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne kommen auf 22 beziehungsweise 9 Prozent. Eine erneute Koalition zwischen ihnen ohne weiteren Partner rückt in weite Ferne. Dieser Trend besteht schon länger, er wird aber immer deutlicher.

Wer nach den Wahlen, die spätestens im Herbst 2024 stattfinden, regieren will, wird das wohl mit beziehungsweise unter der FPÖ und Herbert Kickl tun müssen. Derzeit deutet nichts auf einen Stimmungsumschwung hin.

Österreich leidet unter einer europaweit rekordhohen Inflation, explodierenden Energiekosten und bald unerschwinglichen Lebensmittelpreisen. Die Wähler trauen der amtierenden Regierung nichts mehr zu.

Der Versuch des Staatspräsidenten, die FPÖ zu stigmatisieren, hatte angesichts der Umfragen wohl den gegenteiligen Effekt. Sein trotziges Verhalten dürfte den Freiheitlichen zusätzliche Sympathien beschert haben.

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