Laut Forsa-Institut haben 72 Prozent der Deutschen Angst vor der Ausweitung des Ukraine-Kriegs.

Herablassend kommentiert der Spiegel: «Die Rückkehr der German Angst.» Doch Angst ist keine Feigheit, und German Angst ist kein Wesenszug deutscher Drückeberger, sondern die Lehre aus zwei Weltkriegen. Welches Volk hat sich in den vergangenen hundert Jahren intensiver mit den Themen Krieg und Kriegsschuld auseinandergesetzt?

Vielleicht sprechen wir besser von zwei Ukraine-Kriegen. Der eine ist real und hat mit dem russischen Angriff vor fast einem Jahr begonnen. Der zweite, zwischen Russland und der Nato, ist immerhin möglich. Man könnte sagen, er wird mit jedem Monat wahrscheinlicher.

Damit wird auch die Angst legitimer. Ein entscheidender Schritt ist die jetzt angekündigte Lieferung von US-Präzisionsraketen mit 150 Kilometern Reichweite. Kiew dürfe damit kein russisches Territorium angreifen, heisst es aus Washington. Das ist auch nicht geplant. Vom Dnjepr aus bestreichen die neuen Waffen die nördliche Krim – völkerrechtlich kein russisches Territorium. Bei einer erfolgreichen ukrainischen Süd-Offensive liegen bald die Städte Simferopol und Sewastopol in Reichweite.

Auch der deutsche Vizekanzler Robert Habeck ist sich nicht sicher, wo die «rote Linie» zum Kriegseintritt verläuft (so am Dienstagabend bei «Markus Lanz»).

Kriege eskalieren nicht nach juristischer Logik. Und die Krim spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wenn der Westen die Ukraine ernsthaft bei der Rückeroberung der Halbinsel unterstützt, kann niemand, der die russischen Befindlichkeiten kennt, für die Folgen garantieren.

Unsere German Angst ist also mehr als berechtigt.