Solche Affären können im Wahlkampf zum Killer werden: Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten im Europawahlkampf, Maximilian Krah (47), ist unter dem Verdacht der Spionage für den chinesischen Geheimdienst verhaftet worden, und es kann nicht verwundern, dass die Gerüchte über das «passende» Timing so kurz vor dem Urnengang am 9. Juni bei den Anhängern ins Kraut schiessen. Auch der Zweitplatzierte auf der AfD-Europaliste, Petr Bystron, hat derzeit mit Vorwürfen über illegale Geldzahlungen aus dem Ausland zu kämpfen.

Alles Verschwörung «des Systems»? Alles Zufall? Wusste Krah wirklich nichts von den verdeckten Kontakten seines chinesischstämmigen Mitarbeiters? Und wer ist überhaupt Maximilian Eugen Krah?

Es gibt im Dunstkreis der AfD wohl niemanden, auf den das gern bemühte Attribut «schillernd» so passend erscheint, wie Krah. Der gebürtige Sachse (Räckelwitz in der sorbischen Oberlausitz, 527 Einwohner) gilt selbst bei seinen Gegnern als hochbegabt und wird doch gleichzeitig als Irrlicht und tickende Bombe beschrieben.

Er studierte Jura in Dresden (Dr. iuris), London und New York, ist im Umgang konziliant und amüsant, trat früh in die Junge Union ein, war bis 2016 CDU-Mitglied (sein Vater ist es bis heute) und wird vom Verfassungsschutz dem «völkisch-nationalistischen» Flügel der AfD zugerechnet.

Krah ist katholisch, verwitwet, Vater von acht Kindern mit drei Frauen und unterhält sein Publikum am politischen Aschermittwoch schon mal mit der Reflexion darüber, dass echte Kerle rechte Kerle seien und eben auch «echte Frauen» bevorzugten statt irgendwelcher Emanzen. «Echte Männer sind Patrioten. Dann klappt’s auch mit der Freundin.» Und ganz wichtig: «Schau keine Pornos, wähle nicht die Grünen!»

Neben der Freude daran, mit solchen Sentenzen aus dem Schatzkästlein krahscher Lebenserfahrung dem grün-feministischen Milieu direkt in den Allerwertesten zu treten, meint Krah solche Sprüche aber auch durchaus ernst und verprellt bildungsbürgerliche Konservative, die ihr Heil noch immer in der Union suchen. Dass diese weichgespülten Konservativen müssten verschwinden und zerstört werden, sagt Krah ganz offen. Keine Gefangenen, keine Kompromisse, keine Koalitionen.

Der Jurist Krah wagt sich aber auch in der Gesellschaftspolitik auf dünnes Eis, wenn er etwa im Interview mit der Welt erklärt: «Die Gleichheit vor dem Gesetz für jeden Staatsbürger ist konstituierend für jeden modernen Staat. Aber ich möchte, dass das öffentliche Leben in Deutschland massgeblich durch die deutsche Kultur geprägt ist. Die Gemeinschaft der deutschen Staatsbürger soll durch die deutschen Volkszugehörigen massgeblich geprägt werden.»

Mit anderen Worten: Deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sollten in Krahs Augen möglichst keinen prägenden Einfluss auf das Gemeinwesen haben. Ein Frontalangriff auf alle Multikulturalisten. Und doch ist der Mann mit der lässigen Stirnlocke klug genug, Vorwürfen, er argumentiere «völkisch» mit dem Verweis auf den Begriff der «deutschen Leitkultur» zu begegnen, der es sogar ins neue Grundsatzprogramm der CDU geschafft hat.

Die (bittere) Wahrheit ist: Beides, Krahs Wunsch und das «Leitkultur»-Schlagwort der CDU, sind Illusionen in einer freiheitlichen Demokratie, die ihren Bürgern gerade keine Kultur, keine Lebensweise vorschreibt. Und so balanciert Krah etwa mit Kommentaren über die schleswig-holsteinische Integrationsministerin Aminata Touré, die in Neumünster als Kind malischer Eltern geboren wurde und die Landesregierung angeblich «kulturell afrikanischer» mache, auf einem gefährlichen Grat zwischen Ressentiment und Rassismus.

Krah ist der Musterschüler, der versucht, den Lehrer in Gestalt der Mainstream-Meinung selbst bei der Feststellung aufs Kreuz zu legen, dass zwei plus zwei vier sei. Der aktuelle Spionagefall ist deshalb auch heikler, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, weil Krah selbstverständlich auch die vorherrschende Meinung über China in Frage stellt, Tibet und Taiwan zu urchinesischen Territorien erklärt und China mit zweifelhafter Einladung bereiste.

Eine bessere Vorlage mitten im Wahlkampf können die Mitbewerber der AfD nicht wünschen, zumal die Angst umgeht, dass Europas «Rechtspopulisten» zur stärksten Kraft im nächsten Europaparlament werden könnten. Und doch lässt Krah vor laufenden Kameras die Affäre mit gespielter Coolness an sich auftropfen. Er verlässt sich darauf, dass die AfD nicht für ihre Programme, Inhalte und Personen gewählt wird, sondern als Abrissbirne für den etablierten Politikbetrieb. Ob dieses Vertrauen trägt, wird der 9. Juni zeigen.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Der schillernde Sachse: Maximilian Krah steht im Zentrum der chinesischen Spionage-Affäre. Wer ist der AfD-Politiker, der ganz Deutschland bewegt?"
  • Aufseher

    Was soll man den in D oder der EU noch ausspionieren, nachdem die fast die ganze Technologie freiwillig an China verramscht haben. Staatssabotage betreiben die auch fast alle selbst. Im Dunstkreis der AFD werden jetzt bald täglich "Skandale"erfunden werden.

  • Socrates9Zico10

    Wenn die etablierten Parteien u.Mainstream starke AfD-Ergebnisse oder sogar AfD-Siege in fairen, sachlichen u.faktenbasierten Diskussion u.Auseinandersetzung nicht verhindern können, dann müssen halt Diffamierungen, Lügen, Einschüchterungen u.Halbwahrheiten aus dem Zusammenhang herausgerissen ran, um AfD klein zu halten! Wenn das alles nicht hilft, dann werden demokratische Wahlen wie in Thüringen 2020 einfach rückgängig gemacht. Vielleicht finden Landtagswahlen im Osten 2024 gar nicht statt!

  • luke.tam

    Da sich die EU in der augenblicklichen Konstellation als Reform-unfähig zeigt, bleibt wohl nichts anderes übrig, als eine 'Abrissbirne'! Gruss an Frau von der Leyen.