António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, wird in den westlichen, auch den schweizerischen Medien massiv kritisiert. Grund ist seine Teilnahme am Gipfeltreffen der Brics-Staaten im russischen Kasan.

Am lautesten aus der Ukraine, aber auch aus der EU und allen Hauptstädten des Westens fegte ein massiver Proteststurm über den erfahrenen 75-jährigen Spitzendiplomaten hinweg. Er habe es verpasst, in Kasan wenigstens Klartext zu reden und sich Putin und dessen Verbündete vorzuknöpfen.

Guterres habe sich in einem einzigen Satz über die Ukraine geäussert, empörte sich Radio SRF. Das grenze an «Arbeitsverweigerung». Doch noch immer ist es nicht das Schweizer Radio, welches für das Pflichtenheft des Uno-Generalsekretärs zuständig ist.

Auch andere Medien stiessen sich an der Art, wie Antonio Guterres Wladimir Putin oder Alexander Lukaschenko begrüsst habe. Er habe mit seinem Auftritt den Diktatoren ein «Geschenk der Uno» bereitet. Und er habe mit Diktatoren «gekuschelt», so der Tenor. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat sich in der Folge einem Besuch von Guterres in Kiew verbeten.

Nun sollte man bedenken, dass der Wertewesten in der Uno keineswegs in der Mehrheit ist. Auch unter den Brics-Staaten findet man keine westlichen Länder, weil dieses Bündnis ja gerade als Gegenpol zu den westlichen Bündnissen errichtet wurde.

Die Uno verkörpert kein Gremium dessen, was die westlichen Staaten für richtig, wahr und schön beurteilen. Denn diese Gemeinschaft von praktisch allen Ländern der Welt bildet eine Realität, kein Ideal ab.

Real ist, dass der Sicherheitsrat als wichtigstes Organ der Uno noch niemals eine Verurteilung von Russland beschlossen hat. Das ist angesichts des Vetorechts von Russland vollkommen logisch. Real ist auch, dass der Uno-Generalsekretär regelmässig solche Konferenzen von Zusammenkünften wichtiger Länder besucht – und besuchen muss.

Von allen Stimmen, die jetzt vor Zorn über António Guterres beben, hat sich übrigens keine einzige jemals gegen die Institution Uno oder gar gegen die Einsitznahme der Schweiz gewehrt. Es waren ganz andere Kreise, die seinerzeit davor gewarnt haben, dass die Uno keineswegs einem demokratischen, freiheitlichen Ideal entspreche.

Das jetzige Erwachen mag immerhin heilsam sein. Und man möchte den Politikern und Journalisten des Westens zurufen: Willkommen in der Uno-Wirklichkeit!