Die Ampel-Koalition hat von der Merkel-Regierung ein utopisches Erbe übernommen. Der Ausstieg aus der Atomenergie, bevor ausreichend Ersatz zur Verfügung steht, ist etwa mit dem Abbruch eines Spitals zu vergleichen, dessen Ersatzbau erst geplant wird.

Aber die neue Regierung agiert nicht viel klüger. Sie glaubt, es genüge, Probleme zu orten und diese dann zu verbieten. So sollen 2023 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen, die Verbrenner ab 2035 verboten, die Kohlekraftwerke zwischen 2030 und 2038 stillgelegt und die Gaskraft bis 2045 eliminiert werden.

Innert nur 23 Jahren sollen somit alle fossilen und atomaren Energiequellen (77 Prozent des heutigen Primär-Energieverbrauchs) durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Letztere deckten 2021 gemäss der Arbeitsgemeinschaft für Energiebilanzen e. V., Stand September 2022, rund 15,7 Prozent des Primärenergieverbrauches. Darin enthalten sind die Wind- und Solarkraftwerke, die aber nur rund einen Drittel, das heisst etwa 5,5 Prozent der nachhaltigen Energie ausmachen.

Um die fossilen und Atomkraftwerke zu ersetzen, müssten die heutigen Wind- und Solaranlagen vervierzehnfacht werden. Der Anteil von unstabilem Flatterstrom würde massiv ansteigen. Dennoch könnte damit lediglich die heutige Stromnachfrage gedeckt werden. Bei einem vollständigen Umsteigen auf E-Autos, Wärmepumpen und neuen industriellen Prozessen wird sich der Strombedarf jedoch mindestens verdreifachen.

Energiespeicher in Form von neuen Speicherkraftwerken oder Batterien zum Ausgleich der Produktionsschwankungen von Sonnen- und Windenergie sind nicht finanzierbar. Rechnet man die Erstellungskosten der bisher grössten Batterie in Europa, die Big Battery in der Lausitz, auf die erforderliche Speicherkapazität für Deutschland hoch, dann kommt man auf einen Betrag von mehr als 10.000 Milliarden Euro. Deshalb müssten eigentlich die Kohle- und Gaskraftwerke zum Ausgleich der Dunkelperioden, trotz der damit verbundenen Fixkosten, in Reserve gehalten werden. Höhere Stromkosten wären die Folge davon.

Die einzige Energie, die sowohl die kurzfristigen als auch saisonalen Nachfrage-Schwankungen decken könnte, ist derzeit das Gas. Flüssiggas (LNG) kann zwar als Zwischenlösung dienen, doch damit sind kostspielige Umwandlungsverluste verbunden.

Die grossen Hoffnungen, die auf Wasserstoff gesetzt werden, müssen stark relativiert werden, denn auch die Erzeugung von Wasserstoff und der Transport benötigt elektrische Energie, und zwar sehr viel. Solchen Strom mit sauberer Energie wie Atom- oder Wasserkraft bereitzustellen, wäre ebenso unsinnig wie mit fossilen Kohle- oder Gaskraftwerken.

Per Saldo wird die deutsche Industrie auch längerfristig wesentlich mehr für die Energie bezahlen müssen als ihre amerikanischen und asiatischen Mitbewerber.

Die ungewisse Energieversorgung in Deutschland ist zu einem gefährlichen Standortnachteil geworden.

Energieintensive Produktionsunternehmen wie die Chemie werden sich nach neuen Standorten umsehen müssen, wollen sie auf den Weltmärkten konkurrenzfähig bleiben. Ohne die traditionellen Industrien, die Deutschland in den Nachkriegs-Jahren den heutigen noch vorhandenen Wohlstand beschert haben, wird es schwierig werden, die riesigen Umverteilungsprogramme der neuen Regierung zu finanzieren.