Was für ein Theater: Stundenlang debattieren und reden die Parlamentarier über Geschäfte, zu denen sie nichts zu entscheiden haben. Der Bundesrat hat die Zwangsheirat zwischen UBS und Credit Suisse per Notrecht diktiert, die Aktionäre enteignet und die Milliardengarantien gesprochen.
Kein Abgeordneter wurde vorher gefragt, die Bundesräte haben einsam entschieden, Kriegsrecht in der Finanzwirtschaft sozusagen, wie damals bei Corona, als die Regierung das Parlament ebenfalls vor vollendete Tatsache gestellt hatte, um dann nachher eine Session für die Galerie abhalten zu lassen, weil sie die Verantwortung für ihre Entscheide nicht allein tragen wollte.
Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, diese Session gar nicht erst durchzuführen. Ein Parlament, das tagt, ohne zur Sache entscheiden zu können, macht sich lächerlich, mehr noch, es macht sich überflüssig. Aber die Versuchung, sich in einem Wahljahr vor den Kameras des Fernsehens, das die Scharade phasenweise live übertrug, aufzudröhnen, war vermutlich zu gross. Die Zuschauer, falls vorhanden, konnten den Parlamentariern beim «Tun-als-ob» zusehen. Man spielte Demokratie, ohne sie zu praktizieren, ein Hauch von DDR-Volkskongress wehte durch das Bundeshaus.
Das Parlament hätte sich für dieses Schauspiel nicht hergeben dürfen. Tatsache ist: Der Bundesrat hat Mitte März per Notrecht entschieden, die CS an die UBS zu verscherbeln, Aktionärsrechte auszuhebeln und eigenmächtig Bundesgarantien in dreistelliger Milliardenhöhe zu verordnen. Man fühlte sich am Abgrund einer Weltfinanzkrise, stand unter Druck des Auslands und packte deshalb, erneut, die Brechstange des Notrechts aus. Das ist nicht gegen die Verfassung, wenn die Regierung wie im Krieg den Notstand ausruft. Dann aber muss sie auch bereit sein, die volle Verantwortung für die eigenen, einsamen Entscheide einsam zu tragen.
Das ist auch eine Frage der Konsequenz: Nach Auffassung der Regierung ist der CS-Deal alternativlos, absolut zwingend, ansonsten stürzte die Schweiz, Europa, die Welt in eine verheerende Finanzkrise. Ist die Lage so ernst, ergibt eine Session erst recht keinen Sinn. Im aus Sicht der Regierung günstigsten Fall stimmt das Parlament den bundesrätlichen Entscheiden, zu denen es nie gefragt worden ist, brav zu. Im ungünstigen Fall verweigern die Abgeordneten den Segen. Das verhindert zwar nicht den Deal, untergräbt aber seine Legitimität, schwächt die neugeschaffene Bank und könnte eine Dynamik entfesseln, die das per Notrecht herbeigewürgte Gebilde doch noch zum Einsturz bringen könnte – und die Finanzkrise, die man verhindern wollte, wäre wieder da. Oder auch nicht.
Zusammengefasst: Wenn der Bundesrat zum Schluss kommt, er müsse zum Kriegsrecht der Diktatur greifen, dann muss er dies durchziehen. Dann muss er alles daransetzen, die Bank nach seinen Vorstellungen zu gestalten und die Sache zum Gelingen zu bringen. Offensichtlich fehlt dazu der Mut, die Überzeugung oder die Entschlossenheit. Stattdessen appellieren die Behörden an das «Verantwortungs-Bewusstsein» der Abgeordneten, die Diktate rückwirkend abzunicken. Warum? Offensichtlich möchte der Bundesrat die Verantwortung nicht tragen, das Parlament, das er entmündigt hat, einspannen in sein Konstrukt. Mitgegangen, mitgefangen. Wie einst bei Corona.
Selbstkritisch bleibt anzumerken: Auch mir ist die Absurdität des Vorgangs erst bei seiner Verwirklichung bewusst geworden. Im Grunde hätte man diesen Artikel schon vor ein, zwei Wochen schreiben müssen. Aber lieber späte Einsicht als keine. Wie weiter? Das Parlament hat dafür zu sorgen, nicht mit Hüftschüssen an dieser Scheinsession, sondern sorgfältig, dass in der Finanzwirtschaft endlich die Marktwirtschaft einzieht. Es darf doch in der Schweiz keine Unternehmen geben, die nicht sterben dürfen, weil sie zu gross sind. Diese Überlegung stand hinter der Absage der SVP-Fraktion an die Zwangsheirat. Die Partei fordert griffige too big to fail-Regeln, vorher dürfe sie dem Deal nicht zustimmen.
Wie kommt man dahin? Auf «Weltwoche daily» präsentierte alt Bundesrat Christoph Blocher einen originellen Vorschlag: Anstatt, wie es in Bern neuerdings Mode ist, von oben Befehle zu erteilen, könnte man der UBS auftragen, in drei Monaten einen Plan vorzulegen, wie sie selber sicherstellt, dass Fehlspekulationen im Ausland nicht das solide Schweizer Geschäft und unsere Volkswirtschaft in den Abgrund reissen und dadurch wieder die Notwendigkeit einer Staatsrettung heraufbeschwören.
Der Bundesrat muss auf Entzug gesetzt werden. Die Droge des Notrechts bekommt ihm schlecht. In ihren nicht mehr enden wollenden Ausschweifungen und Rechtfertigungen beteuerte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Sessions-Dienstag nach Mitternacht, es mache dem Bundesrat doch keinen Spass, mit Notrecht zu entscheiden. Irgendwie wollte dieser späte Schmerzensschrei nach Mitleid und Verständnis nicht so recht verfangen. Jede Diktatur hat irgendwann klein angefangen, und schon immer taten die Diktatoren so, als litten sie unter der Last ihrer selbstauferlegten Verantwortung. Mag ja sogar sein, aber dann sollten sie diese Verantwortung, wenn sie schon klagen, auch selber tragen und dafür geradestehen, wenn in einem Jahr Bilanz gezogen wird. Indem sich das Parlament erneut zum Komplizen des Notrecht-Bundesrats macht, schwächt es seine Kontrollfunktion. Mitgegangen, mitgefangen.
Der Effekt Ihrer Kündigung Ihres Mandats im NR ist wohltuend, weiter so. Ich melde mich dann gelegentlich um zu sehen ob man nicht mehr tun kann, ich denke da an eine intensivere Nutzung der Volks- und Bürgerrechte.