Der Wahlkampf der Bilder läuft längst. Wenn in den Redaktionen die morgendliche Fotolage gesichtet wird, können die Redakteure ein regelrechtes Trumpfspiel der beiden Spitzengrünen Robert Habeck und Annalena Baerbock auf den Konferenztisch blättern, wie ihn Skatfreunde vom Grand Ouvert kennen.

Der Bundeswirtschaftsminister beim versonnenen Blick aus dem Bullauge des Regierungsfliegers: Bam! Die Aussenministerin von unten hinter einem Strauss aus Mikrofonen vor Sonnenuntergang: Stich! Habeck ganz nah, draufgehalten mit Dreitagebart: der nachdenkliche Macher. Baerbock in Afrika im bunten Stammesgewand: ganz Mensch, ganz offen und nahbar. Habeck lässig auf der Fensterbank im Kanzleramt und wichtig mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner im Bundestag: Ein Mann trägt Verantwortung. Baerbock bei «Menschen» auf Sommertour …

Kaum jemand stilisiert sich offensichtlicher als die beiden Spitzengrünen – und befeuert damit knapp anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl die Spekulationen über den «Kanzlerkandidaten» der Grünen. Ein kühnes Projekt für eine Partei, die sich derzeit in den Umfragen zwischen 13 und 15 Prozent bewegt und in der niemand offen über diesen Posten spricht. Grössenwahl kommt nicht gut an beim Wahlvolk.

Der wahre Kern hinter diesen Spekulationen ist aber durchaus real: Während Habeck Baerbocks verpatzten Wahlkampf 2021 mit dem zusammenkopierten Buch und in den Keller rauschenden Sympathiewerten der Grünen nicht vergessen hat und als Argument für seine Spitzenkandidatur sieht, kann Baerbock Habecks misslungene «Gasumlage», das katastrophale Heizungsgesetz und die «Familien-Affäre» um seinen geschassten Staatssekretär Patrick Graichen für sich verbuchen.

In der Logik vieler Grüner vom linken Flügel ist «Frau» nach wie vor ein Pluspunkt für Baerbock, während die Realos eher Habeck als amtserfahrenen Staatsmann sehen, der mit seinen Videos immer dann in die Bresche springt, wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) mal wieder mit sich selbst in Klausur ist.

Obwohl sich die Lager der beiden Grünen langsam in Stellung bringen, wird es am Ende wohl auf eine Mitgliederbefragung hinauslaufen. Beim letzten Mal beugte sich Habeck dem Trumpf der Herz-Dame Baerbock, diesmal könnte er den Pik-Buben ausspielen, weil sie ihre Chance schon hatte.

Ob die Grünen am Ende dieser Legislaturperiode tatsächlich noch genügend Asse in der Hand oder im Ärmel haben, um sich Hoffnungen auf das Kanzleramt zu machen, spielt einstweilen keine Rolle. Und der oftmals bockige Wähler auch nicht. Es geht um Wichtigeres …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Grünen befeuern Spekulationen über den «Kanzlerkandidaten» aus ihren Reihen: Baerbock oder Habeck, wer hat die Nase vorn?"
  • Thor der massive

    Wundern würde es mich nicht, wenn eine <10% Partei nochmals die Frechheit hat und versucht einen Kanzler zu stellen.Nochmal 4 Jahre solche Clowns in DE und Europa wird zum Kalifat!

  • Wolf Scheit

    ismirschlech ...

  • Logo Liga

    Mir auch.