Noch vor kurzem glaubten viele, dass die Abschwächung der Wirtschaft im Westen durch eine Erholung der Konjunktur in China nach den Corona-Lockdowns und von anderen Emerging Markets (EM) ausgeglichen würde.
Auch die IEA, die Internationale Energie-Agentur, ging in ihrem Halbjahresbericht 2022 davon aus, dass der Rückgang der Nachfrage nach Erdöl in den westlichen Industrieländern durch den Mehrbedarf Chinas 2023 kompensiert werde. Aber die jüngsten Zahlen aus China sind weit verhaltener ausgefallen als erhofft. Statt eines Durchstartens muss man froh sein, wenn Chinas Wirtschaft nicht erneut ins Minus kippt. Die EM werden den Abschwung im Westen nicht ausbremsen können.
Rezessionsängste haben die Inflationssorgen abgelöst, und sie beginnen sich bereits in nachlassenden Rohstoffpreisen zu manifestieren. Die hohe Inflation hat bis Mitte 2022 zu einem rasanten Anstieg der Anleihezinsen in vielen Ländern geführt. Dennoch ist die Konjunktur-Abkühlung noch kaum eine Folge der Notenbank-Politik, denn die bisherigen Zinserhöhungen sind immer noch zu gering, um eine Konjunktur abzuwürgen.
Noch immer verfügen die Konsumenten über enorme Barmittel auf ihren Kontobeständen, und die Arbeitslosigkeit hat vielerorts Mehrjahres-Tiefststände erreicht. Aber die Konsumenten-Stimmung ist weltweit in den Keller gefallen, teilweise als Folge des Ukraine-Krieges, aber auch wegen der hohen Inflation.
Die globale Nachfrage hat sich sichtbar abgekühlt, wie die Umfragewerte für die Bestellungseingänge der Einkaufsmanager-Indizes zeigen. Grund dafür dürfte auch der weitgehend abgeschlossene Lageraufbau zur Bewältigung künftiger Liefer-Engpässe sein.
Konjunkturschwankungen gab es schon immer. Aber heute stellt sich die Frage, ob wir uns weiterhin auf Erfahrungswerte abstützen können, oder ob die Weltwirtschaft vielmehr mit einem Strukturbruch konfrontiert ist. Gemeint ist ein Ende der Globalisierung.
Nachdem der Anteil des Welthandels im Vergleich zum globalen BIP seit den Sechzigerjahren von rund 5 Prozent bis etwa 2008 auf über 31 Prozent angestiegen ist, hat sich das Verhältnis seither wieder auf geschätzte rund 28 Prozent zurückgebildet. Es herrscht Krieg und Säbelrasseln zwischen den Grossmächten. Die Energiewende und die damit verbundenen Kaufkrafteinbussen können nicht endlos mit Staatsgeldern ausgeglichen werden, denn die globale Staatsverschuldung übersteigt im Verhältnis zum BIP heute sogar den Schuldenstand am Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie engt den Spielraum der Fiskal- und Geldpolitik ein. Die Führungskraft der Regierungen leidet unter dem Zerfall der Parteienlandschaft, und die Notenbanken haben ihre Unabhängigkeit von der Politik verloren.