Das war selbst für Roger Schawinski eine turbulente Woche: Am Freitag erfuhren die Fans, dass seine Talkshow auf «Blue Zoom» eingestellt wird. Die Werbekunden zogen nicht mehr richtig mit, erfuhr man in der Medienmitteilung. Vielleicht lag es auch an den Zuschauern.

Fünf Tage später überraschte er mit dem Scoop, als einziger Externer den Abschlussbericht der Anwalts­kanzlei Rudin Cantieni gelesen zu haben. Also den Bericht, den Tamedia in Auftrag gegeben hat, um die Vorwürfe gegen den früheren Magazin-Chefredaktor Finn Canonica auszuleuchten.

Das teure Paper galt eigentlich als Verschlusssache, ähnlich geheim wie die Zubereitung von Coca-Cola.

Auf die Frage, ob er den Abschlussbericht teilen möge, antwortete der frühere Radiopirat: «You must be kidding … So läuft Journalismus nicht.»

Nun, wie läuft er denn?

Roger Schawinski zitiert fröhlich aus einem Bericht, der keine rechtsgültige Kraft besitzt und eine Auftragsarbeit von Tamedia war.

Dabei listet er Namen von kritisierten Redaktoren, die er mit den Vorwürfen allerdings nicht konfrontiert. Ein Journalist wehrt sich gegen die Berichterstattung. Schawinski ist das egal. Er lädt ihn zu einem Interview ein, der Betroffene lehnt das Angebot dankend ab.

Auch bei einer anderen Journalistin das gleiche Spiel: Erst nach der Publikation entsteht ein Gespräch. Wieder möchte Schawinski sie zu einem Interview einladen. Auch hier kriegt er einen Korb.

Zuerst öffentlich diffamieren, dann ein Interview – so sieht Schawinskis Masche aus.

Das Branchenmagazin Persoenlich.com, welches die Medienmitteilung von Schawinski aufgriff, musste die Namen der Betroffenen Stunden später löschen.

Das Problem bei Primeurs dieser Tragweite ist: Wer als Einziger solche Berichte lesen darf, hinterfragt die Ergebnisse nur selten. Anders lässt sich nicht erklären, warum Roger Schawinski ein Brimborium darum macht, ob Ex-Magazin-Chef Finn Canonica in Zusammenhang mit Untergebenen von «Untervögelten» oder «Ungefickten» sprach.

Der 77-jährige Radio-Pionier klärt die Allgemeinheit auch darüber auf, dass der geschasste Chefredaktor in den Redaktionsräumen nicht «ficken», sondern «Fuck» herumgeschrien habe. Etymologisch gesehen ein riesiger Unterschied, wie man lernt. Im Bericht stehe, so Schawinski, dass die Untersuchungspersonen «Fuck» eine sexuelle Komponente absprechen würden.

«Fuck» ist also kein Problem, «ficken» schon.

Sollte Finn Canonica jemals wieder eine Führungsposition einnehmen, dürfte er in der Logik des Abschlussberichts im Grossraumbüro weiterhin ungehemmt «Fuck» schreien; ist ja nicht sexuell konotiert.

Die grosse Frage lautet aber: Wer hat Schawinski den Bericht überlassen?

Er habe ihn «exklusiv bekommen», erklärte er am Mittwoch stolz am Radio.

Auch über Canonica wusste er noch Spannendes zu berichten: «Der ist übrigens gesundheitlich schwer angeschlagen und hat noch eine finanziell ziemlich unangenehme Situation.»

Das alles lässt einen fassungslos zurück: Wer übermittelt ausgerechnet Roger Schawinski intimste Details von anderen Personen?

«Für mich ist klar», so Schawinski, «dass Tamedia gegen den Spiegel klagen müsste.» Seine Hoffnung sei nun, dass andere Journalisten «neutral und offen» über die Sache recherchieren würden.

So offen und neutral wie Schawinski?