So geht Propaganda: Robert Habeck, deutscher Wirtschafts- und Klimaminister, stellt sich vor die Kamera und erklärt ein Jahr nachdem der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz gegangen ist, warum das richtig war. Kurz zusammengefasst sagt er: Die Versorgungssicherheit sei gewährleitet. Die CO2-Emissionen seien runtergegangen. Die Preise seien auch runtergegangen. Und schliesslich: Ja, es werde mehr Strom importiert, aber das nur, weil es günstiger sei, als den Strom selbst zu produzieren. Aha. Halten wir Habeck zugute, dass es seine Sicht der Dinge ist.

Die andere Sicht sieht so aus: Vergangene Woche hat Oranienburg bei Berlin den Stromnotstand ausgerufen. Es ist kein Kilowatt mehr übrig. Neue Bürger oder gar neue Unternehmen kann die bisher prosperierende Stadt nicht mehr aufnehmen. Die CO2-Emissionen in Deutschland – deren Berechnung nebenbei im Nebel liegt – sind gesunken, was vor allem damit zusammenhängt, dass die deutsche Industrie weniger produziert. Das wiederum ist eine direkte Folge von Habecks Klima- und Wirtschaftspolitik. Es war so eigentlich nicht vorgesehen. Der Strompreis ist 2023, als die letzten Meiler vom Netz gegangen sind, für private Haushalte so stark gestiegen wie nie in den vergangenen zehn Jahren. Seither ist er leicht gesunken, aber längst nicht da, wo er noch 2022 war. Und schliesslich: Was da an Strom importiert wird, ist nicht zuletzt Atomstrom. Vielleicht aus Belgien, dessen nächster Meiler 57 Kilometer westwärts der Aachener Innenstadt steht.

Es gibt viele Vertreter dieser Sicht. Es werden sogar zunehmend mehr. Innerhalb der EU hat sich inzwischen ein Bündnis von Staaten formiert, die für die Atomkraft sind. Sie sind inzwischen in der Mehrheit, und auch EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen ist der Meinung, dass sich Klimaziele ohne Atomkraft nicht erreichen lassen. Um Habeck dagegen wird es immer einsamer. Wahrscheinlich ist er der Letzte, der das merkt.