Erst hat Annalena Baerbock das Bismarck-Zimmer an ihrem Amtssitz in Berlin abgeschafft, jetzt verzichtet Robert Habeck auf die Ludwig-Erhard-Büste im Foyer seines Hauses. Die Grünen-Politiker wollen damit ohne historische Leitfiguren der Deutschen auskommen.

Die Bronzeplastik des ehemaligen deutschen Wirtschaftsministers und späteren Kanzlers Erhard, der als Vater der Sozialen Marktwirtschaft gilt, war seit mehr als fünfzehn Jahren fester Bestandteil der Einrichtung in der Eingangshalle des Wirtschaftsministeriums an der traditionsreichen Adresse in der Berliner Invalidenstrasse.

Michael Glos, einst Bundeswirtschaftsminister der CSU, hatte die Büste zu Erhards 110. Geburtstag 2007 mit einem feierlichen Akt aufgestellt. Bei der Zeremonie waren die meisten der lebenden Amtsnachfahren Erhards – ganz gleich, welcher Partei sie angehörten, zugegen. «Überall dort, wo Erhard seine Vorstellungen von Wettbewerb durchsetzen konnte, kassieren wir noch heute die Dividende», sagte der Festredner damals. Doch unter Erhards jüngstem Nachfolger Robert Habeck musste sie nun weichen.

Habeck verzichtet damit auf die in Bronze gegossene Erinnerung an eine historische Person der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Erhard gehört genauso wie der erste Kanzler Konrad Adenauer oder auch der spätere Architekt der Ostpolitik Willy Brandt zu den Politikern, die massgeblich zur Entwicklung Westdeutschlands nach Kriegsende beigetragen haben.

Im Gegensatz zu Baerbock und ihrer Entscheidung zum Bismarck-Zimmer war Habeck beim Canceln von Erhard allerdings eher passiv dabei: Die Büste war eine Leihgabe von Herbert B. Schmidt, einem Mann, der, ganz im Sinne Erhards, als liberal gesinnter Ökonom auftrat.

Nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs hatte Schmidt seine grosse Zeit und trug massgeblich zur Privatisierung in den neuen Ländern und in den ehemaligen Ostblockstaaten bei. Schmidt hatte länger gezögert, bevor er «seinen Erhard» 2007 ans Ministerium verlieh.

Schliesslich rang er sich durch und kommentierte damals seine Entscheidung mit den Worten. «Er ist wieder zu Hause.» Und er mahnte: «Möge Erhards täglicher Anblick seine Ausstrahlung auf die hier heute Tätigen nicht verfehlen.»

Jetzt hat es sich Schmidt anders überlegt. «Die Büste wurde kürzlich dem Eigentümer auf dessen Bitte zurückgegeben», teilte Habeck mit. Ob er versucht hat, den Leihgeber umzustimmen, kommentiert das Ministerium nicht, Schmidt selbst will auch keine Stellungnahme abgeben.

Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, der ehemalige hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch, immerhin hält den Abzug der Erhard-Büste von dieser zentralen Stelle der Republik für falsch. «Es wäre uns lieber gewesen, dass Herr Habeck jeden Tag mit schlechtem Gewissen an der Büste von Ludwig Erhard hätte vorbeigehen müssen», lautet sein Kommentar.