Das Geschrei der Cancel-Community ist gross. Hegel! Muss weg! Kant! Um Himmels Willen!

Nun geht es Pablo Picasso an den Kragen. Dessen fünfzigster Todestag rückt ihn dieser Tage ins Visier der moralisch Korrekten.
Die Deutsche Welle nennt ihn «toxischer Künstler» und drängt dahin, den spanischen Maler «vom Sockel zu stossen».

Auch das Schweizer Fernsehen hat ein Picasso-Problem. Man scheut auch die Fäkalsprache nicht und konstatiert: «Das Genie war – gelinde ausgedrückt – ein Scheisskerl.»

In einem aktuellen Beitrag wird der grosse Künstler bezichtigt, Frauen schlecht behandelt zu haben. Zudem wird behauptet, dass sich dessen angebliche Frauenverachtung nicht vom Werk trennen lasse.

Auch Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums Basel, giesst weiter Öl ins Feuer: «Was Picasso mit seinen Frauen gemacht hat, ist schrecklich.» Sei die Liebe für die Frauen erlahmt, habe er die Lust entwickelt, sie zu zerstören. Allein: So aussergewöhnlich ist das sicher nicht; man denke nur an die zahlreichen Scheidungskriege weltweit.

Täter-Opfer-Mythos. Differenzierter wird’s beim SRF nicht. Niemand, der auch nur annähernd eine komplexere Betrachtung des Themenfeldes «Picasso und die Frauen» wagt. Die übrigens findet sich bei Weltwoche-Autor Michael Bahnerth, der auch Bezüge herstellt zu dem Lebensgeschichtlichen des Meisters.

Vor Jahrzehnten stellte man Künstler an den Pranger, weil ihre Kunst angeblich entartet war, heute drischt man auf sie ein, zensiert und cancelt sie, nicht weil das Werk, sondern angeblich der Künstler selbst entartet ist.

Und so breitet sie sich ungebremst weiter aus, die schauderhafte NS-Ideologie der Reinheit. Vorangetrieben von allen, die sich für woke halten, also für «aufgewacht».