Der Sonntag in Buenos Aires präsentierte sich unter einer frühlingshaften Sonne. Die Botschaft, welche Präsident Javier Milei anlässlich seiner Amtseinführung präsentierte, war weniger lieblich. Es ist die gleiche Botschaft, mit der er die Wahlen gewann: Argentinien steht nach einem Jahrhundert sozialistischer Planwirtschaft vor dem Ruin – die liberale Revolution wird hart, sie wird die Krise vorerst verschärfen, doch längerfristig wird sie das Land zu neuer Blüte bringen. Der parasitäre Staat mit seiner ausufernden und lähmenden Bürokratie soll radikal auf seine Basisfunktionen eingedampft werden. Privatinitiative, harte Arbeit und Leistung soll sich wieder lohnen, für nichts gibt’s nichts.
Dass ein Kandidat mit einer derart klaren Botschaft in Lateinamerika eine Wahl gewinnt, ist ein Novum. Dass Milei seine liberale Revolution gegen den Widerstand des vereinten Establishments auch umsetzen kann, wäre definitiv ein Wunder. Das Einzige, was dafür spricht: Eine Alternative zu einem harten Austeritäts- und Privatisierungsprogramm ist nicht in Sicht. Argentinien ist bankrott.
Als erste Amtshandlung löste Milei ein Wahlversprechen ein: Per Dekret reduzierte er die Zahl der Ministerien von zwanzig auf neun. Gewiss, das ist vorerst nicht mehr als Symbolik. Den Schuldenberg und die Hyperinflation bringt er damit nicht zum Verschwinden. Doch Mileis Kabinett gibt einen klaren Kurs vor. Seine Minister stammen aus verschiedensten politischen Lagern. Vor allem aber sind sie fast alle Technokraten, ehemalige Topmanager aus der Privatwirtschaft.
Kriterien wie Gender, Herkunft und Alter der Amtsträger spielten bei der Auswahl offensichtlich keine Rolle. Die meisten sind über sechzig, neben der Vizepräsidentin sind lediglich drei der neun Minister Frauen, die allerdings Schlüsselpositionen bekleiden.
Mehr als symbolisch ist auch die Präsenz der zur Inauguration anwesenden Staatsoberhäupter: Neben den konservativen Präsidenten von Paraguay, Uruguay und Ecuador glänzten die linken Staatsoberhäupter aus der Nachbarschaft durch Abwesenheit, mit Ausnahme von Gabriel Boric (Chile). Dafür hatten Wolodymyr Selenskyj (Ukraine), Viktor Orbán (Ungarn) und Wahagn Chatschaturjan (Armenien) den langen Flug nach Argentinien auf sich genommen.
Die Wende in Argentinien steht nicht nur für einen Kulturkampf, sie hat auch eine geopolitische Dimension. In Lateinamerika ist eine Neuauflage des Kalten Krieges im Gange. Russland und China haben mit den Hungerdiktaturen in Kuba und Venezuela solide Brückenköpfe in der Region, die ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Die Schwergewichte Brasilien, Kolumbien und Mexiko mit ihren sozialistischen, aber gewählten Regierungen schwanken zwischen den Blöcken.
Ganz Südamerika starrt nach Argentinien. Wenn Mileis liberale Wende gelingt, das Land zu einer neuen Blüte bringt und vor allem die Armut eindämmt, wäre dies ein gewaltiges Aufbruchsignal für ganz Lateinamerika.
Manchmal geschehen in dieser Weltgegend Wunder. Sonst wäre sie schon lange untergegangen.
Sehr verehrter Herr Baur, ich wünschte mir von Ihnen eine Miniserie über die argentinische Wirtschaft unter Juan Perón.
Sehr veregrter Herr Baur, ich wünschte mir von Ihnen eine Miniserie über die argentinische Wirtschaft unter Juan Perón.
Könnte ich, würde ich über Javier Mileis Bürotüre das Zitat: "Wer die Amerikaner als Alliierte hat, braucht keine Feinde", in grossen Lettern schreiben. Einmal mehr dürfte Argentinien in der Enttäuschung ertrinken und untergehen.