Sinkende Rohstoffpreise sind meistens Vorboten einer Rezession, auch wenn die Preisrückgänge erst einen Bruchteil der Preiserhöhungen von 2021 und 2022 ausmachen. Bereits die Konjunkturabflachung hat zu einem Nachfragerückgang und sinkenden Preisen für die meisten Buntmetalle, aber auch für Stahl, Holz, Gummi, Wolle, Zucker, Kaffee oder Kakao geführt.
Einer der zuverlässigsten US-Konjunkturindikatoren, der Eisen- und Stahlschrottpreis, ist von April bis August 2022 um 34 Prozent gefallen, und der Erdölpreis ist seit dem Höchststand von 123 Dollar pro Fass im Juni 2022 um 24 Prozent auf 92 Dollar eingebrochen. Um den Preisrückgang auszubremsen, haben sich die Opec-Länder aber mit Russland verbündet und eine Rücknahme der Tagesproduktion um 2 Millionen Fass angekündigt, was rund 2 Prozent des Weltangebotes entspricht.
Für die Schweizer Konsumenten fallen die Preisrückgänge allerdings geringer aus, denn die meisten Rohstoffe notieren in Dollar, der 2022 bis September um 7 Prozent aufgewertet hat.
Das Angebot anderer Rohstoffe wie Erdgas, Dünger oder Weizen hat sich jedoch wegen des Ukraine-Krieges verringert, weshalb die Preise neue Höchststände erklommen. Wenn Getreidepreise steigen, verteuert sich auch die Fleischproduktion. Anstelle von russischem Pipeline-Gas kann zwar verflüssigtes Gas mit Spezialschiffen aus Übersee herbeigeschafft werden, aber vielerorts fehlt die Entlade-Infrastruktur.
Die Erdgasverknappung treibt auch die Elektrizitätspreise an. Die hohen Gaspreise sind in Europa und Asien ein Problem, denn sie liegen fünf- bis achtmal höher als in den USA.
Weshalb springen die Preisrückgänge nicht auf die Konsumentenpreise über?
Die Preissteigerungen bis April 2022 waren teils eine Folge von Hamsterkäufen. Viele Unternehmen wollten damit erneuten Versorgungslücken infolge von logistischen Problemen wie quarantänebedingte Staus in Häfen oder Containermangel vorbeugen. Aber diese zu hohen Preisen eingekauften Sicherheitspolster sind nun zu einer Belastung geworden. Fallende Rohstoffpreise bedeuten Wertberichtigungen auf Lagerbeständen. Deshalb versuchen die Unternehmen erhöhte Preise ihrer Endprodukte so lange wie möglich hochzuhalten, um diese Abschreiber nicht hinnehmen zu müssen.
Andere Unternehmen profitieren zwar von den wieder fallenden Rohstoffpreisen, aber inzwischen sind Lohnforderungen, teurere Energie- und Zinsrechnungen eingetroffen. Senken sie dennoch ihre Verkaufspreise, werden sie wohl in Richtung Verlustzone abdriften. Es gibt aber auch Unternehmen, die nutzen die Inflationshysterie, um mit Preiserhöhungen ihre Gewinnmargen zu steigern.
Die Teuerung in der Produktion, zu einem wesentlichen Teil durch hohe Rohstoff- und Energiepreise angeheizt, ist in der EU im August auf rekordhohe 43 Prozent angestiegen. Erfahrungsgemäss schlägt sich rund ein Drittel davon nach drei, vier Monaten in den Konsumentenpreisen nieder. Deshalb ist vor Ende 2022 kaum mit einem spürbaren Teuerungsrückgang zu rechnen.