Das Volk stört beim Regieren.

Es gehört zu den lästigen Nebenwirkungen von Demokratie, dass der Wähler mitunter partout nicht hören will und trotzig an der Wahlurne macht, was er will.

Da kann man den Deutschen nun ausführlich erklären, dass die AfD nichts taugt, beschwört Brandmauern und beschliesst Unvereinbarkeitsbeschlüsse, und trotzdem geben inzwischen stabil 20 Prozent der Befragten an, sich vorstellen zu können, die Blauen zu wählen.

Kann doch nicht einfach jeder wählen, was er will!

Im Osten sind es inzwischen sogar um die 30 Prozent, womit das Regieren vorbei an Chrupalla, Weidel, Höcke und Co. durchaus schwierig werden könnte, wenn die Wähler bei den Landtagswahlen ihre Absicht wahrmachen.

In der Union haben sie vor Jahren deshalb einen Beschluss gefasst, mit der AfD und der in Linke umbenannten SED nicht kooperieren zu wollen. Doch je stärker die AfD wird, desto mehr bröckelt nun die Front gegen die Alt- und Neokommunisten von der Linken.

Im jüngsten Politbarometer des ZDF konnten sich die Hälfte der Unionsanhänger (50 Prozent) vorstellen, mit der Linken über eine Regierungsbildung zu reden. 47 Prozent der Unionsunterstützer lehnten das ab.

Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen dürfte eine solche Kooperation nicht nur die programmatische Entkernung der Union bedeuten, sondern auch die regelrechte Selbstentleibung.

Die Partei der deutschen Einheit flirtet mit den Nachfahren der DDR-Staatspartei. Einziges Fazit: Beliebig, rückgratlos, inhaltlos, unwählbar.

Doch auch wenn die Union jetzt täglich härtere Vokabeln auffährt, die AfD als «Höcke-Sekte» (Söder) bezeichnet und der Verfassungsschutz die Partei in Teilen beobachtet, kommt die deutsche Parteienlandschaft um den Kernkonflikt nicht herum: den Vertrauensverlust in den Berliner Politikbetrieb, der sich mit markigen Worten, Brandmauern und heiligen Schwüren, die AfD-Themen nicht mit der Zange anzufassen, nicht lösen lässt.

Ausweislich der Allensbach-Umfragen für die FAZ steigt seit Jahren die Zahl derjenigen, die nicht mehr nur die jeweilige Regierung kritisieren, sondern einen tiefen Groll gegen den gesamten Berliner Politikbetrieb hegen. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen hat das einmal treffend «systemische Erschöpfung» genannt.

Eine Kooperation von Union und Linken wäre eine arithmetische Fluchtoption und gleichzeitig in diesem Milieu der ultimative Beweis, dass der Wählerwille die Politik nicht interessiert. Ein demokratischer Offenbarungseid und politisches Armageddon (Offb 16, 16).

Niemand kann sich das wünschen. Die Anhänger der Union am wenigsten.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.