Die ganz grossen Zeiten der Schweizer Schuhproduktion, als Brands wie Bally, Raichle oder Künzli die Branche prägten, sind längst vorbei. Viele Marken haben ihre Herstellung hauptsächlich aus Kostengründen ins nahe oder ferne Ausland verlagert. Nicht so Kybun mit Hauptsitz in Roggwil TG. Das für seinen Luftkissenschuh bekannte Unternehmen, das 2006 von Karl Müller senior gegründet wurde, hält eisern am Produktionsstandort Schweiz fest.

Das Luftkissenkonzept von Kybun ist die Weiterentwicklung der 1998 vom ETH-Maschinenbauingenieur erfundenen MBT-Schuhe, deren Markenrechte er zuvor verkauft hatte. Als medizinischer Schuh können die Kybun-Produkte bei den meisten Problemen am Bewegungsapparat wie Rücken, Hüfte, Knie oder Fuss helfen und Operationen verhindern. Zum Sortiment von Kybun gehören auch noch Stehmatten für das Arbeiten im Büroalltag.

Namen wie «Bauma» oder «Rüti»

Heutzutage verlassen jährlich immerhin rund 63 000 Paar Schuhe die Kybun-Fabrik im Industriegebiet von Sennwald SG, wo sich auch der Kybun-Gesundheitspark befindet. Weitere ungefähr 72 000 Paar Schuhe kommen aus einer Fabrik in Montebelluna in der italienischen Region Venetien. Die Jahresproduktion liegt gegenwärtig bei rund 135 000 Paaren; zusätzliche Kapazität ist vorhanden. Die Kollektion von Kybun umfasst laut Angaben von Geschäftsführer Karl Müller gegenwärtig 39 Männer- und 41 Damenmodelle, die Namen wie «Bauma», «Magglingen», «Rüti» oder «Aarau» tragen. «Zudem produzieren wir zwanzig ganz besondere Schuhe und Sandalen ausschliesslich für den arabischen Raum», sagt er.

Der Markenname stammt aus Südkorea, wo Karl Müller senior lange gelebt hat: «Kybun» bedeutet auf Koreanisch «gutes Gefühl». Darauf wollen zum Beispiel alt Bundesrat Ueli Maurer, Talkmaster Thomas Gottschalk, der ehemalige Fussballer Andy Egli oder der Kronprinz von Dubai nicht verzichten. Sie alle und viele weitere Prominente tragen Schuhe von Kybun. Auch Papst Franziskus ist im Besitz eines Paares, das er von Karl Müller bei einer Audienz erhalten hat.

Die Schuhherstellung ist ein ziemlich energieintensives Geschäft.Seit 2022 sind Kybun und die Schuhmarke Joya seines Sohns Karl Müller junior unter dem gleichen Firmendach vereint. Die Joya-Schuhe gründen auf der gleichen Gesundheitsidee, kommen aber etwas modischer daher, richten sich an eine jüngere Kundschaft und werden in Südkorea produziert. Während Joya halbjährlich eine neue Kollektion lanciert, setzt man bei Kybun auf langlebigere Modellzyklen. Das Unternehmen wird heute von Karl Müller junior und Claudio Minder operativ geführt. Sowohl in Sennwald wie in Montebelluna werden die Luftkissenschuhe von Kybun mit der elastisch-federnden Sohle nach genau dem gleichen Verfahren gefertigt. Im St. Galler Rheintal sind es rund zwanzig Schuhmacherinnen und Schuhmacher, die, je nach Modell, in bis zu vierzig Arbeitsschritten die Produkte herstellen – die meisten von Hand.

Millionen Luftbläschen in der Sohle

Herzstück der Kybun-Schuhe ist die spezielle und patentierte Sohle, die einem das Gefühl vermitteln soll, als wäre man in einem Reisfeld unterwegs, wie Karl Müller junior erklärt. Die Sohle, die es in zwei Höhen und Härtestufen gibt, wird mit einem in der Schweiz entwickelten Hightech-Roboter hergestellt. Wie dieser Prozess im Detail vonstatten geht, bleibt Betriebsgeheimnis. Alle Schuhe von Kybun verfügen laut Karl Müller junior über eine Sohle aus Polyurethan (PU), was sie flexibel, strapazierfähig, abriebfest und langlebig mache. Im Kern der geschäumten PU-Sohlen sind Millionen von Luftbläschen eingeschlossen, die mit einem Trampolineffekt für die Dämpfung sorgen. Im Produktionsprozess wird das Material wie auf eine Art «gebacken». Im Lauf der Zeit wurde die Sohle stets weiterentwickelt, mittlerweile liegt die dritte Generation vor. Kybun bietet regelmässig Führungen durch die Fabrik an, bei der die Gäste den Schuhmachern bei der Arbeit zusehen können. Beim Rundgang kommt man auch beim Sohlenroboter vorbei, wobei der entscheidende Produktionsschritt allerdings nicht einsehbar ist und in einer geschlossenen Box stattfindet.

Wenn die Sohlen aus der Maschine kommen, werden sie zunächst getrocknet und anschliessend von überschüssigem Material an den Rändern befreit. Dann unterzieht sie ein Mitarbeiter einem Härtetest. «Von jedem Produktionslos werden stichprobenartig einige Sohlen maschinell bis zu tausendfach belastet», sagt Markus Bartholet, Leiter Produktion. Anschliessend werden Sohle und Schaft zusammengefügt, wobei wasserbasierter Leim zur Anwendung kommt. Besteht der Schaft aus Leder, kommt dieses aus einer Produktion, bei der mit möglichst wenig Wasser gegerbt wird. Anschliessend wird der Oberschuh mit der Sohle verklebt, im Fachjargon sagt man «verheiratet». Die Qualitätskontrolle eines jeden Schuhs schliesst den Herstellungsprozess ab, ehe sie paarweise und mit einer Infobroschüre mit Pflegehinweisen in Schachteln verpackt werden und ins Lager kommen. Seit einigen Monaten werden in Sennwald auch die Schuhe der Berner Oberländer Marke Kandahar gefertigt, welche die Kybun-Joya-Gruppe 2022 übernommen und wohl vor dem Verkauf ins Ausland gerettet hat.

In letzter Zeit fanden viele Kybun-Schuhe den Weg in Kriegsgebiete in der Ukraine.Die Schuhherstellung ist ein ziemlich energieintensives Geschäft, weshalb Nachhaltigkeit bei Kybun eine wichtige Rolle spielt. Laut Geschäftsführer Karl Müller junior wird dabei stark auf Sonnenenergie gesetzt, um den ökologischen Fussabdruck des Unternehmens zu verringern. «Wir produzieren mit unseren beiden Fotovoltaikanlagen in Sennwald eigenen Strom, mit dem wir einen Grossteil unseres Energiebedarfs für die Produktion abdecken.» Diese Energie werde direkt in der Schuhproduktion eingesetzt oder für sonstigen Eigenbedarf verwendet und allfälliger überschüssiger Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Die Fotovoltaikanlage in Sennwald wurde 2016 in Betrieb genommen, diejenige in Roggwil kam 2021 dazu. Und den Besuchern des Kybun-Gesundheitsparks in Sennwald stehen zwei Ladestationen für Elektroautos zur Verfügung. Die Kosten für den bezogenen Strom werden bis zu fünfzig Franken an einen vor Ort gekauften Schuh angerechnet.

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit

Auch im Kleinen ist Kybun bestrebt, die Nachhaltigkeit zu fördern. «So werden etwa Papierquittungen in unseren Shops nur noch auf Verlangen ausgehändigt», sagt Karl Müller junior. Oder das ganze Pflegeproduktesortiment kommt ohne Aerosole aus, und die jeweiligen Verpackungen bestehen aus recyceltem Ma
terial. Ausserdem legt Kybun zusammen mit Joya grossen Wert auf die Wiederverwertung alter Schuhe, um der Wegwerfgesellschaft entgegenzuwirken und neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit zu fördern.

Die ausgetragenen Schuhe werden gesammelt und, wenn es ihr Zustand erlaubt, wiederaufbereitet und weltweit an bedürftige Menschen gespendet. Insgesamt wurden über 45 000 Paar Schuhe gespendet. Nicht mehr weiter nutzbare Schuhe werden zerlegt, so dass das Material der Wiederverwertung oder der sachgemässen Entsorgung zugeführt werden kann.

 

Beiträge in der Rubrik «Ökologie & Unternehmertum» beleuchten neue Trends und Technologien und erscheinen im Rahmen einer kommerziellen Zusammenarbeit zwischen der Weltwoche Verlags AG und ausgewählten Unternehmen.