Nach achtzehn Monate langem Schweigen haben grosse US-Medien die Story um Hunter Bidens privaten Laptop zum Leben erweckt. Nach der New York Times zog letzte Woche die Washington Post nach. In einem Artikel mit dem Titel «Einblicke in Hunter Bidens millionenschwere Geschäfte mit einem chinesischen Energieunternehmen» zeigt die Zeitung auf, wie das Familienunternehmen mit nur einem Deal 4,8 Millionen Dollar kassierte.

In einem separaten Beitrag erklärte das Blatt seinen Lesern, wie externe digitale Forensiker die Echtheit der untersuchten Dokumente bestätigten. Die Experten räumten ein, dass bislang erst ein kleiner Teil des umfangreichen Laptop-Inhalts (253 Gigabite) verifiziert werden konnte. Gleichzeitig stellten sie klar, dass keine Hinweise gefunden wurden, die Spuren einer Manipulation aufweisen. Damit ist die weitverbreitete Mutmassung, bei der Laptop-Story handle es sich um eine «russische Desinformationskampagne», entkräftet.

Schlüsselfigur Jack Maxey

Schlüsselfigur bei der Veröffentlichung der Laptop-Story ist Jack Maxey. Der US-Historiker hatte den Inhalt des Laptops der Washington Post bereits vor Monaten zur Verfügung gestellt – ohne dass die Zeitung, die einst Watergate enthüllte, einen Finger rührte. Nun bestätigte das legendäre Blatt, das mit dem Slogan «Democracy Dies in Darkness» um die Gunst der Leser wirbt: «Im Juni 2021 übergab Maxey [. . .] der Washington Post eine tragbare Festplatte.»

Maxey befindet sich derzeit in der Schweiz, wo er mit einem lokalen Tech-Team bislang unlesbare Daten auf dem Laptop aufbereitet.* Der Yale-Absolvent und ehemalige US-Navy-Offizier Maxey war einer der Ersten, die im Oktober 2020 Einblick in den Laptop erhielten, den Hunter Biden in Wilmington, Delaware, zur Reparatur abgegeben und darauf nie abgeholt hatte, wie Maxey im Gespräch mit der Weltwoche erklärte (Weltwoche Nr. 13/22).

Nachdem die Echtheit der Laptop-Dokumente offiziell bestätigt ist, lautet die brisanteste Frage: Was wusste Joe Biden über die millionenschweren Deals seiner direkten Familienangehörigen, Sohn Hunter und Bruder Jim?

Joe Biden streitet ab, je Kenntnis von den Geschäften gehabt zu haben. «Ich habe nie mit meinem Sohn über seine Geschäfte im Ausland gesprochen», sagte er kurz vor der Präsidentschaftswahl 2020. Seine Beteuerungen stehen in Widerspruch zu Aussagen von Tony Bobulinski, der von der Biden-Familie auserwählt worden war, deren Geschäfte abzuwickeln. Er habe sich persönlich mit Biden senior getroffen, um die geschäftlichen Aktivitäten von Hunter Biden zu besprechen, so Bobulinski in einem Interview vor der Präsidentschaftswahl 2020, das von den meisten Medien ignoriert worden war.

Bereits vor der Wahl hatte die New York Post Dokumente aus Hunter Bidens Laptop ans Tageslicht gebracht, die eine Beteiligung Joe Bidens nahelegen. In einer E-Mail von 2015 bedankt sich ein Berater der ukrainischen Gasfirma Burisma bei Hunter Biden für die «Gelegenheit», sich mit seinem Vater, dem Vizepräsidenten, zu treffen. Hunter sass bei Burisma für ein dickes Salär im Verwaltungsrat – obwohl er keinen Schimmer von Gas- und Energiefragen hat.

Mit anderen Worten, Hunter Biden scheffelte Geld aus einem einzigen Grund: weil er der Sohn des Vizepräsidenten war und direkten Zugang ins Weisse Haus verschaffte.

Hunter Biden scheffelte Geld aus einem einzigen Grund: weil er Zugang ins Weisse Haus verschaffte.

In der Geschäftszentrale von Hunter Biden war man sich der höchstproblematischen Geschäftsbeziehungen offensichtlich bewusst. Im Versuch, jeden Mief von Korruption zu kaschieren, wurden Mitarbeiter explizit angewiesen, direkte Anspielungen auf Joe Biden zu vermeiden. So wurde Tony Bobulinski, damals Geschäftspartner von Hunter, in einer E-Mail von Bidens Mitarbeiter, dem britischen Ex-Spion James Gilliar, aufgefordert, nicht über die Verbindung des ehemaligen Vizepräsidenten zu irgendwelchen Transaktionen zu sprechen: «Erwähne nicht, dass Joe involviert ist, nur wenn du von Angesicht zu Angesicht bist, ich weiss, dass du das weisst, aber sie sind paranoid.»

Doch was heisst «involviert»? War Barack Obamas damaliger Vizepräsident Türöffner für innerfamiliäre Wirtschaftsdeals? Oder war der zweitmächtigste Mann Amerikas selbst finanziell beteiligt?

2017 setzte die Firma von Hunter Biden in China zu ihrem lukrativsten Deal für die Biden-Familie an. Wie in früheren Geschäften operierte er im Schlepptau seines Vater Biden, der ihm den Weg zu Chinas Spitzen bahnte. Und wie bei früheren Gelegenheiten anderswo auf der Welt erfolgte die Abwicklung des Geschäfts im Umfang von 10 Millionen Dollar über Zweigfirmen. Eine davon figurierte unter dem Namen Oneida Holdings LLC, eine von Bobulinski gegründete Firma in Joe Bidens Heimatstaat Delaware. Am 13. Mai 2017 verschickte Hunter Bidens Firmenkollege James Gilliar eine interne Firmen-Mail, in der die Gewinnanteile der Partner in Prozente aufgelistet wurden. Darunter: «10 held by H for the big guy.» Seit dieses E-Mail publik wurde, brennt die Frage auf den Nägeln. Wer ist der «big guy», für welchen Hunter Biden 10 Prozent des Gewinns verwaltete?

«Big guy» ist eine Bezeichnung, die Joe Biden bereits vor vielen Jahren für sich beansprucht hat, wie Miranda Devine in ihrem Buch «Laptop from Hell» darlegt. Die New York Post-Kolumnistin, die seit langem Zugang zu Hunter Bidens Laptop hat, erinnert die Leser daran, dass der heutige US-Präsident, der als Jugendlicher gestottert hatte und deswegen gehänselt wurde, früh ein Geflecht von heroischen Mythen um seine Person aufbaute, um sich als taffen Typ darzustellen. «Er erzählte regelmässig weithergeholte Geschichten, in denen er selbst den big guy spielte», so Devine. «Darunter eine seiner Lieblingsgeschichten, in der er im Alleingang einen bad guy namens ‹corn pop› zur Strecke brachte, der mit einem Rasiermesser bewaffnet war und «einen Haufen böser Jungs kommandierte».

«Grosser Abend in Leipsic»

Biden-Intimus Bobulinski erklärte in einem Interview kurz nach Veröffentlichung der ersten Dokumente aus Hunters Laptop in der New York Post im Oktober 2020, dass es «keine Frage» sei, dass mit «big guy» Joe Biden gemeint sei. «Hunter Biden nannte seinen Vater ‹the big guy› oder ‹my chairman› und erwähnte häufig, dass er ihn bei verschiedenen potenziellen Geschäften, die wir besprachen, um seine Zustimmung oder seinen Rat bat.»

Lässt sich seine Aussage durch Dokumente stützen? Jack Maxey hat der Weltwoche Zugang zum kompletten Inhalt aus Hunter Bidens Laptop verschafft. «Es handelt sich um exakt dieselbe Version, die ich auch der Washington Post übergeben habe», so Maxey. In einer ersten Recherche mit dem Suchbegriff «big guy» werden wir wiederholt fündig.

2013 stattet Vizepräsident Joe Biden einen Besuch im Whitehall Neck Sportsman Club in Leipsic, Delaware, ab und serviert, in Jägermütze, den lokalen Sportschützen Wildbret. Geoff Rogers, Vizepräsident einer Treuhandfirma (The Glenmede Trust Company) und Bekannter der Familie Biden, leitet am 6. März 2013 eine E-Mail mit Pressebildern des Events an Hunter Biden weiter: «Grosser Abend in Leipsic», kommentiert er. «Der big guy hat sie glücklich gemacht.»

Der Begriff «big guy» findet sich bereits in den frühesten Dokumenten, die auf dem Laptop gespeichert sind. Am 14. Dezember 2010 erhält Hunter Biden eine E-Mail von Chuck Harple, einem Lobbyisten und Geschäftspartner, der für grosse Pharma- sowie Tabakkonzerne und Erdölgesellschaften wie Royal Dutch Shell tätig war. In der Mail geht es um einen Deal mit Hunter Bidens Firma Rosemont Seneca. Harple gibt Hunter Biden Anweisungen, wie er mit einem Businesspartner verfahren soll: «Sagen Sie ihm, dass Sie mit mir gesprochen haben und dass Sie alle Fakten auf dem Tisch haben wollen, bevor Sie mit dem big guy sprechen. Das wird für uns beide von Vorteil sein.» Der «big guy» taucht in weiteren E-Mails auf Hunters Laptop auf, ebenso in der abgespeicherten Whatsapp-Kommunikation mit Bobulinski.

Und es kommen immer neue Referenzen zutage. Namentlich in jenen Dokumenten, die Hunter Biden gelöscht und die Jack Maxey mit seinem in der Schweiz stationierten forensischen Recherche-Team wieder hergestellt hat. Maxeys Aufbereitungsprozess gelöschter Dokumente war bei Redaktionsschluss noch im Gang. Doch eine erste Stichwort-Suche unter den neu «entdeckten» E-Mails ergab 93 Treffer für «big guy».

Aufgrund dieser Dokumente stellen sich zwei Fragen mit wachsender Dringlichkeit: Ist Joe Biden durch sie erpressbar? Haben die Länder, mit welchen das Biden-Netzwerk geschäftete, allen voran China und Russland, Dokumente in der Hand, die die nationale Sicherheit der USA gefährden könnten?

Im Video-Interview mit der Weltwoche erklärt Jack Maxey den Inhalt von Hunter Bidens Laptop und spricht über seine laufenden Recherchen in der Schweiz. Es ist abrufbar auf www.weltwoche.ch/International.