Laute Bassklänge und grelles Stroboskoplicht, das sich erst den Weg durch die dicken Schwaden einer Nebelmaschine bahnen muss, dringen vom Gebäudeinneren nach draussen in die kalte Dezemberluft. Ist an diesem dunklen Abend in der ehemaligen Lokremise neben den Gleisen des St. Galler Bahnhofs etwa ein Rave im Gang?

Fehlanzeige. Und doch gibt es hier an diesem Tag etwas zu feiern: die Enthüllung einer Weltpremiere. Mitten auf der Tanzfläche steht ein Wagen, den jedes Kind kennt, zumindest jedes Kind der achtziger und neunziger Jahre: ein DeLorean DMC-12, das Kultauto von 1981, dem die «Zurück in die Zukunft»-Trilogie ein Denkmal setzte, ein Bubentraum auf vier Rädern.

Mit geöffneten Flügeltüren lädt der Wagen die Besucherinnen und Besucher ein, zumindest gedanklich in die Vergangenheit zu reisen und über die (automobile) Zukunft nachzudenken. Aber Moment, irgendetwas stimmt hier nicht! Denn ganz so haben wir den Wagen nicht in unserer kollektiven Erinnerung abgespeichert.

 

Skelett unter der Haube

Der Grund für die Irritation hat einen Namen: Beni Bischof. Der Künstler aus dem St. Galler Rheintal, Jahrgang 1976, hat im Auftrag der Immobilienfirma Senn, die hinter dem Bürogebäude Hortus in Allschwil steht, einen einzigartigen «Art Car» erschaffen. Ein «Traumauftrag», sagt er. «Alles, was in dem Wagen drin ist, ist mein persönlicher Ausdruck», so Bischof, der bei vielen seiner Arbeiten augenzwinkernde Referenzen an die Popkultur integriert. In diesem Fall hat er das Auto mit bunten Stickern übersät («Intensity intensifies», «Kill your dreams» etc.), der grüne Bezug des Fahrersitzes trägt einen «Sisyphos»-Print, und aus dem Logo des ehemaligen Herstellers DMC wurde kurzerhand OMG, oh my God!

Der «Art Car» transportiert nicht nur Kunst, sondern auch die Philosophie der Kreislaufwirtschaft.

Auch sonst gibt es so manche Überraschung zu entdecken, bei der selbst die Equipe der MTV-Sendung «Pimp My Ride!» grosse Augen machen würde. So wurden beispielsweise in beiden Flügeltüren LED-Screens verbaut, auf denen in einem Affenzahn Fotos durchrattern: der weisse Hai, Sponge Bob, ein Monster-Truck, der Terminator, eine Faustfeuerwaffe, ein glühender Meteorit . . .

Zu diesem apokalyptischen Bildschirmschoner passt das, was sich unter der Haube des Fahrzeugs befindet, nämlich eine Art Friedhof, inklusive (Kunststoff-)Skelett, ein Memento mori oder in den Worten des Künstlers: «Der Tod fährt stets mit.»

Das Werk, das offiziell als «mobile Kunst am Bau» fungiert, trägt den Titel «MOEBH», eine Abkürzung jenes Satzes, der auf der Frontscheibe des Coupés prangt: «Made on earth by humans», auf der Erde gemacht von Menschen. Jawohl, Menschen, plural. Denn neben Beni Bischof hat auch das Team von Revive Conversions aus Brügg mit angepackt und aus dem DeLorean einen eigentlichen E-Lorean gemacht, indem es den Sechszylinder-V-Motor durch einen Elektromotor ersetzt hat.

 

Nachhaltigkeits-Statement

Richtig gelesen, im Heck des Wagens arbeitet kein Verbrennungsmotor (geschweige denn ein Atomreaktor, so wie im Hollywood-Film). Somit taugt der elektro-konvertierte Wagen zwar nicht als Zeitmaschine, dafür als Zeitzeuge. Er erzählt vom Jahr 1985, als der erste Teil von Robert Zemeckis’ Trilogie ins Kino kam – obendrauf ist er aber auch ein Statement im Sinn der Nachhaltigkeit und damit äusserst zeitgemäss.

Der «Art Car» transportiert also nicht nur Beni Bischofs Kunst, sondern auch die Philosophie jener Kreislaufwirtschaft, der sich das Hortus verpflichtet sieht, der Bestimmungsort von «MOEBH». Das von Herzog & de Meuron entworfene Bürogebäude werde aus einem «ungewöhnlichen Mix aus Naturmaterialien» wie Holz, Lehm und Altpapier konstruiert, heisst es auf der Website. Die graue Erstellungsenergie soll innerhalb von dreissig Jahren, also innert nur einer Generation, «zurückbezahlt» werden. Die Eröffnung ist für 2025 geplant, einen Grossteil der Nutzfläche von 10 000 Quadratmetern sollen sich «umweltbewusste (Tech-)Firmen» teilen – genauso wie sie Beni Bischofs DeLorean teilen dürfen.

Dieser selbst ist privat übrigens bodenständiger unterwegs. Die Heimreise von der Lokremise tritt er in seinem Skoda Yeti an.