In den 2020er Jahren versprachen die Regierungen mehr Wohlstand bei weniger Energieverbrauch. Ersteres trat ein. Die Weltwirtschaft wuchs, aber nicht wegen der Regierungen, sondern dank allgemeinem technologischem Fortschritt. Und der Energieverbrauch? Er hätte locker sinken können. Denn mit mehr Wohlstand und besserer Technologie kann man sich nicht nur mehr Energie leisten, sondern auch mehr Energieeffizienz und somit weniger Energieverbrauch.

Aber entgegen den schönen Regierungsversprechen brachte die Entwicklung nach 2023 einen allgemeinen Energierausch. Die westlichen Länder haben die sogenannten erneuerbaren Energien massivst subventioniert. Durch die Kosten verlangsamte sich zwar das Wirtschaftswachstum. Aber wenn die Energieproduktion subventioniert wird, muss das letztlich zu höherem Energieverbrauch führen. Der Mechanismus funktionierte im Detail so:

Um die fossilen Energieträger auch im Winter zu ersetzen, mussten die Erneuerbaren auf ein Vielfaches des durchschnittlichen Bedarfs ausgebaut werden. So herrschten zu den meisten Zeiten im Jahr totaler Stromüberfluss und Tiefstpreise – und deshalb Verbrauchswut. Die Bürger schafften sich viele stromfressende Geräte und Autos an. Weil sie aber diese auch dann nutzen wollten, wenn es keinen Wind und keine Sonne gab, drohten oft Blackouts. Um diese zu verhindern, wurde mit schnell zuschaltbaren Gaskraftwerken Notstrom hergestellt – ab 2035 angeblich klimaneutral, denn die Emissionen wurden durch DACCS, also «Direct Air Carbon Capture and Storage», wieder aus der Luft gefiltert. Natürlich war dies extrem energieintensiv. Deshalb wurde es in Länder ausgelagert, wo die Sonnen- und Windenergie für DACCS ausreichte, wo aber dann halt dafür der normale lokale Energieverbrauch mit Kern- und Kohlekraftwerken gedeckt wurde.

Schwellenländer tickten anders

Da die Subventions- und Regulierungsorgie im Westen einen massiven Rückgang der Nachfrage nach fossilen Energieträgern brachte, fielen deren Preise. Deshalb explodierte ihr Verbrauch in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort wollte sich einfach keine ernsthafte Besorgnis um den Klimawandel einstellen. Vielmehr dominierte das Gefühl, dass – falls dereinst doch noch schwere Probleme infolge des Klimawandels auftreten sollten – ja dank DACCS die Emissionen einfach kompensiert werden könnten. Auch argumentierten immer mehr Regierungen, dass sie nicht den vom Westen vorgespurten Weg der Defossilisierung gehen wollten. Das sei für sie viel zu teuer, und sie würden die knappen Ressourcen lieber einsetzen für den Schutz vor den für sie sowieso vorhandenen, viel gravierenderen Umweltrisiken durch Kälte, Hitze, Sturm, Hochwasser, Erdbeben et cetera, was zugleich auch die beste Vorbeugung gegen Klimaschäden sei.

Schliesslich lief der Energieverbrauch noch gänzlich aus dem Ruder, als sich immer mehr Länder entschieden, den Ersatz ihrer alten Kohlekraftwerke sowie den steigenden Energiebedarf nicht durch Flatterstrom aus Solar- und Windkraftwerken zu decken, sondern durch Kernkraft. Denn sie verstanden, was noch 2023 viele nicht verstanden hatten: Kernkraft braucht lange Bewilligungsverfahren – aber viel kürzere als Windkraft.

Denn entscheidend für die effiziente Energieversorgung ist nicht die Bewilligungs- und Bauzeit pro Kraftwerk, sondern diejenige pro werthaltige Kilowattstunde. Und dabei ist Kernkraft unschlagbar. So ergab sich dann, was schon 2023 prognostizierbar gewesen wäre: Die Energiestrategie der zwanziger Jahre versank in einer Flut aus Flatterstrom und Kernkraft.

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor des CREMA.