Die Psychoanalyse misst dem Phänomen der Selbsttäuschung grosse Bedeutung zu. Sie wird als Abwehrmechanismus gesehen.

So betrachtet hätten Analytiker auf dem G-20-Gipfel auf Bali ihre helle Freude gehabt. Denn das gemeinsame Communiqué – das, wie bei solchen Anlässen üblich, lange vor Abschluss der Tagung fertig wurde – ist ein Dokument des Selbstbetruges.

Da hilft alles Schönreden nichts: Anders als vom Westen gewünscht, wird Russland nirgends namentlich verurteilt, sondern nur der Krieg in der Ukraine.

Aber nicht mal den verurteilen alle zwanzig Teilnehmer. Grotesk heisst es, dass sich «die meisten Mitglieder» diesem Urteil anschlössen.

Die meisten? Wie viele sind das? Viele? Die Mehrheit?

Ungeschönt betrachtet zeigt das Communiqué, dass der Westen die Mehrheit der Weltbevölkerung wieder nicht auf einen gemeinsamen Kurs gegen Moskau einschwören konnte.

Gut, alle sind gegen einen Atomkrieg. Geschenkt. Was wäre denn die Alternative? Ein paar Mitglieder hielten ihn für eine gute Idee?

Dem Satz, dass der Krieg «ungeheures menschliches Leid verursacht und bestehende Zerbrechlichkeiten in der Weltwirtschaft verschlimmert», kann sich jeder anschliessen. Es wird ja nicht gesagt, wer verantwortlich ist – Moskau oder der Westen mit seinen Sanktionen. Deren Aufhebung forderte übrigens Chinas Xi.

Wie dünn, windelweich und unaufrichtig dieses Communiqué ist, zeigt allein eine Tatsache: Russland stimmt ihm zu.

Na, wenn das kein Erfolg ist.