Der japanische Yen testete kürzlich ein 33-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar, und die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen hat mit 0,96 Prozent unlängst den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt erreicht. Auch gegenüber dem Franken hat der Yen allein 2023 bis Mitte November um 14 Prozent korrigiert. Damit hat sich sein Wert innert dreizehn Jahren halbiert.

Die Yen-Schwäche ist zwar ein Segen für die Exportindustrie. Auch japanische Investoren, die sich beispielsweise in den USA engagiert haben, konnten auf ihren Auslandanlagen massive Währungsgewinne einfahren. Aber viele Japaner werden von währungsbedingt steigenden Importpreisen empfindlich getroffen.

Der ungebremste Fall des Yen hat deshalb auch die japanischen Behörden aufgerüttelt: Am 14. November hat Finanzminister Shunichi Suzuki angekündigt, die Regierung werde alles unternehmen, den Yen zu stabilisieren, weil derart exzessive Kursschwankungen unerwünscht seien. Es geht der Regierung offensichtlich vor allem darum, die Importteuerung auszubremsen, denn Japan bezieht nicht nur viel Erdöl und Erdgas, sondern auch Nahrungsmittel aus dem Ausland, denn die Eigenversorgung liegt bei lediglich rund 40 Prozent (gemessen in Kalorien).

Die Yen-Schwäche hat auch mit der Geldpolitik zu tun, denn die japanische Notenbank hat ihren Leitzins seit Januar 2016 bis heute bei −0,1 Prozent belassen, obwohl die Inflation Anfang 2023 auf 4,4 Prozent anstieg und bis Oktober erst wieder auf 3,3 Prozent zurückgekommen ist. Und nun beginnen die Preissteigerungen sogar auf die Löhne durchzuschlagen, denn die Gewerkschaften haben im Oktober eine härtere Gangart angekündigt, um die Kaufkraftverluste über höhere Löhne wieder hereinzuholen.

Um eine solche drohende Preis-Lohn-Spirale im Keim zu ersticken, müsste die Bank of Japan ihre Leitzinsen deutlich anheben. Aber angesichts der mit 263 Prozent des BIP höchsten Staatsverschuldung unter den westlichen Industrieländern würde eine zinsbedingt höhere Zinslast die Staatsrechnung massiv belasten. Jedes Prozent höhere Verzinsung der Staatsschulden bedeutet rund 6 Prozent höhere Staatsausgaben. Die Regierung hat zwar bereits im noch bis März 2024 laufenden Fiskaljahr ein Hilfspaket beschlossen, um die Haushalte zu entlasten. Aber seither herrscht bezüglich weiterer Programme oder Interventionen am Devisenmarkt Funkstille.

Die Notenbank glaubt, dass die Yen-Schwäche vor allem der unterschiedlichen Zinspolitik der Bank of Japan, des US Fed und der EZB zuzuschreiben sei. Letztere haben zwar eine Zinspause eingelegt, aber noch keine Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Im Gegenteil. Die Präsidentin der Europäische Zentralbank, Christine Lagarde, hat unlängst erklärt, die EZB werde in den kommenden Quartalen nicht mit Zinssenkungen beginnen. Auch in den USA wurde bisher keine Zinsentwarnung gegeben, obwohl die Oktober-Inflation stärker als erwartet auf 3,2 Prozent gefallen ist. Die Kerninflation liegt aber immer noch bei 4 Prozent, und diese ist für die US-Geldpolitik massgebend.

Die unterschiedliche Geldpolitik mag zwar eine Rolle spielen. Die Anleger realisieren aber auch, dass die Überalterung der japanischen Gesellschaft und die zu geringe Geburtenzahl das Arbeitskräfteangebot und damit das Wirtschaftswachstum dämpfen werden. Der Staat hat zwar mit seinem Haushalt von rund 40 Prozent gemessen am BIP noch nicht das Ausmass der europäischen Länder erreicht, aber die Ausgaben liegen seit Jahren rund 5 bis 6 Prozent über den Einnahmen. Und nun will Japan wegen der Bedrohung durch China auch noch verstärkt aufrüsten. Das kann auf lange Sicht in Kombination mit der hohen Verschuldung und der demografischen Entwicklung nicht gutgehen. Diese Bedenken sind wohl die wahren Gründe für den anhaltenden Sinkflug des Yen.