Die Ermittlungen aufgrund sexueller Straftaten gegen Till Lindemann, Sänger der Band Rammstein, wurden eingestellt. Diverse Medien unterstellen ihm aber weiterhin eine «moralische Schuld».

Lindemanns Anwalt Simon Bergmann, der verschiedene Prominente in #MeToo-Verfahren vertritt, nimmt dazu in einem Interview mit der NZZ Stellung. Für ihn steht fest: Moralische Fragen müsse jeder für sich selbst beantworten, «da gibt es kein Richtig oder Falsch».

Bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen erwarte er aber, dass Journalisten «hinreichend recherchieren» und einen Verdacht erst äusserten, wenn es für diesen genügend Indizien gebe. Das sei im Fall Lindemann nicht der Fall gewesen. Da bei einem Angeschuldigten immer etwas hängenbleibe, hätten Journalisten hier eine grosse Verantwortung.

Die Medien hätten aber seit einigen Jahren das Thema sexualisierte Gewalt für sich entdeckt. Allein beim Spiegel seien mehrere Journalistinnen mit dem Thema #MeToo beschäftigt. Damit würden «digitale Abos generiert, und zwar in erheblichem Mass», so Bergmann.

Unter den Medien gebe es in solchen Fällen einen «Wettbewerb» um die noch drastischere Schilderung des angeblichen Geschehens, auch wenn sich dieses nicht belegen lasse. Die beteiligten Journalisten würden mit einem «erheblichen Belastungseifer an die Sache herangehen».

Der Wunsch, jemanden zu überführen, dürfe nicht wichtiger werden als die journalistischen Sorgfaltspflichten. «Je schwerer der Vorwurf, umso höher die Anforderungen», so der Anwalt.

Bergmann unterstützt auch die Idee, dass Medien nach falscher Vorverurteilung zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlung verurteilt werden können. Das gebe es nach einer Rufschädigung viel zu selten. Die Medien hätten deshalb kaum ein Risiko, wenn sie falsch berichten würden.