Dieser Mann ist eine Frischzellenkur. Die Argentinier haben das so empfunden und ihn vor zwei Monaten zu ihrem Präsidenten gemacht.

Und jetzt durften sich die Europäer seiner Kur unterziehen: Javier Milei ist ins alte Europa gekommen. Hoch oben auf die Gipfel von Davos zum Weltwirtschaftsforum. Und selbst dauernörgelige Nachrichten-Magazine wie der Spiegel titeln halb hingerissen: «Milei zerlegt den Zauberberg». Der Reporter der Wirtschaftswoche schreibt, als müsste er sich überwinden, von einem «bemerkenswerten Auftritt». Es sieht so aus, als könnten sich auch die, die bislang nichts von dem Mann hielten, der im Wahlkampf mit der Kettensäge aufgetreten ist, nicht ganz seiner Faszination entziehen.

Woran liegt das?

Milei spricht aus, was in Deutschland nicht einmal einem AfD-Politiker über die Lippen ginge. Er spricht von «linken Parasiten» – und Feministen. «Heute bin ich hier, um Ihnen zu sagen, dass der Westen in Gefahr ist», warnt er. Denn hier herrsche eine Weltanschauung, «die unaufhaltsam zum Sozialismus und damit zur Armut führt». «Der Kapitalismus ist das einzige System, das die Armut in der Welt beenden kann. (…) Der Staat ist nicht die Lösung, der Staat ist das Problem.» Der Kampf der Geschlechter sei «lächerlich». Mit ihrer radikalen Agenda bauten Feministen Hürden auf, von ihren Vertretern würden keinerlei Beiträge zur positiven Entwicklung kommen: «Ich denke da an Familienministerinnen», sagt Milei, und man stelle sich vor, so etwas hätte jemand im Bundestag in Richtung Familienministerin Lisa Paus gesagt. Oh je.

Stattdessen zieht Milei den Hut vorm Unternehmertum. «Erfolgreiche Unternehmer sind Helden, die der Gemeinheit nützen», lobt er. «Soziale Gerechtigkeit ist nicht gerecht, sie ist inhärent ungerecht, weil sie auf der Erhebung von Steuern beruht.» Er schliesst mit seinem Wahlkampf-Slogan: «Es lebe die Freiheit – verdammt noch mal.»

Der Applaus ist fast stürmisch, obwohl der studierte Ökonom seine Rede eher professoral vorträgt. Für die Zuschauer, die da jubeln, steht oben ein Mann, der ausspricht, was die da unten denken. Man kann das populistisch nennen und weiterwurschteln wie bisher. Ein bisschen besser ist es, zuzuhören und sich das zu eigen zu machen, was der eigenen Prüfung standhält. Denn eines ist sicher: Milei bringt jenen Draht zu seinen Zuhörern zum Glühen, der bei den allermeisten Politikern hierzulande längst gerissen ist.