Dies ist die erste Weltwoche Deutschland. Ab sofort bringen wir jeden Freitag ein E-Paper für Deutschland heraus. Der Umfang ist etwas kompakter als bei der schweizerischen Ausgabe, der Preis entsprechend tiefer. Unser Ziel: Wir wollen, dass Sie sich nach dem Lesen besser fühlen als vorher.

Ich gebe es zu: Für Deutschland habe ich eine Schwäche. Deutschland interessiert, fasziniert, irritiert mich seit meiner Kindheit. Das hat familiäre und berufliche Gründe. Familiär: Meine Familie mütterlicherseits hat Wurzeln in Königsberg. Beruflich: Ich war mal Chefredaktor der Welt in Berlin.

Nein, Deutschland braucht keinen weiteren Besserwisser. Nichts ist überflüssiger als noch eine Zeitung, die weiss, wo Gott hockt, und die Moral gepachtet hat. Deutschland hat, aus meiner Sicht, ein mediales Überangebot an Finsternis, Endzeit überall. Das Positive kommt zu kurz.

Mit Deprotainment hat die Weltwoche nichts am Hut. Unser Motto lautet: «Siehe, die Welt ist nicht verdammt.» Es kommt gut. Früher oder später. Ein Blick in die Bibel genügt: Die Menschen waren immer schon grossartig und verrückt. Ein Wunder, dass es uns noch gibt. Oder ein Gottesbeweis?

Deutschland hadert wieder einmal mit sich selber. Das Vertrauen in die da oben schwindet. Die Wirtschaft krankt. Politiker klammern sich an die Macht. In den Medien hat sich eine Meinungsmafia ausgebreitet, die dem Moralismus huldigt. Gnade Gott, wenn einer aus der Reihe tanzt.

Es tut mir weh, das zu schreiben, aber Deutschland hat sich verkrampft. Die Leichtigkeit fehlt. Der Humor kommt zu kurz. Wenn das öffentliche Fernsehen Triggerwarnungen zu Otto Waalkes und Harald Schmidt verbreiten muss, stimmt etwas nicht mehr.

Vielleicht sind das alles Anzeichen einer Orientierungskrise. Erfolg und Reichtum machen fett und übermütig. In guten Zeiten gehen die soliden Grundsätze vergessen. «Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Folge von guten Tagen.» Krisen sind heilsam, ernüchternd. Sie bringen das Solide zurück.

Dabei ist Deutschland so interessant wie nie. Das käsige Einvernehmen der satt gewordenen Establishment-Parteien wird durch eine freche Opposition gestört. Gut so. Plötzlich sind deutsche Bundestagsdebatten wieder quicklebendig wie zu den Zeiten von Wehner oder Strauss.

Auch aussenpolitisch werden die Karten neu gemischt. Die Europäische Union entzaubert sich. War der Euro wirklich eine gute Idee? Viele Deutsche zweifeln an der Nibelungentreue zu den USA. Man hat die Amis gern, Bewunderung noch immer, aber bitte keinen Weltkrieg gegen Russland oder China.

Das alles wirft die grossen Fragen auf: Wo steht Deutschland heute in der Welt? Sind die Deutschen unverrückbar in den Westen betoniert? Oder ist Deutschland ein Bindeglied, eine Brücke, ein west-östlicher Diwan der Verständigung, wie es Goethe formulierte? Faszinierende Debatten.

Als ich in Deutschland lebte, war das Thema Zuwanderung tabu. Friedrich Merz provozierte seinerzeit mit seiner Forderung einer «Leitkultur ». Er wurde fast gesteinigt. Heute reden die Deutschen offener darüber. Die Massenzuwanderung, Mutter vieler Probleme, macht auch sichtbar, was die Politiker jahrelang verdrängt haben.

Ich glaube an Deutschland. Da bin ich nicht der Einzige. Aber wir kommen nicht mit fertigen Antworten. Wir wollen Deutschland neu entdecken. Wir sind Schweizer. Wir haben den wohlwollenden Blick von aussen. Unsere Stärke ist der Abstand, die qualifizierte Ahnungslosigkeit.

Oder nennen wir es Neugier. Die Weltwoche steht seit neunzig Jahren für urschweizerische Tugenden: Freiheit, Eigenverantwortung, direkte Demokratie, Neutralität und Weltverbundenheit. Als Zeitung sind wir offen für alle Standpunkte und Meinungen, aber das Schweizerische prägt uns schon.

Die Weltwoche redet mit allen. Sie redet auch mit jenen, mit denen niemand mehr redet. Gibt’s den Teufel, machen wir mit ihm ein Interview. Selbstverständlich. Audiatur et altera pars. Es gibt immer eine andere Sicht, und in jeder Reizfigur steckt auch ein Mensch. Niemals überheblich werden.

Demokratie ist Vielfalt, Rede und Gegenrede, das Ringen ums bessere Argument. Die Weltwoche ist bald Pflichtverteidiger, bald Gesprächstherapeut. Wir wollen einen Beitrag zur Entkrampfung und Entspannung leisten. Mechaniker der Demokratie: Wir träufeln Öl ins Getriebe, wenn’s klemmt.

Kein Fussbreit der Apokalypse! Gebt dem Weltuntergang keine Chance! Die Weltwoche will auch aufmuntern, begeistern, zum selbständigen Denken anregen. Ich verspreche Ihnen: Für uns ist das Glas halbvoll. Meistens. Es gibt immer einen Lichtblick.

Deutschland, die Welt neu kennenlernen: Zynismus und Abgesänge haben wir genug. Die Weltwoche ist anders, unabhängig, kritisch, gutgelaunt. Wir haben keine Berührungsängste, kennen keine Tabus. Wenn alle in die gleiche Richtung laufen, halten wir dagegen. Konsens wird überschätzt.

Die Schweiz verdankt den Deutschen viel. Jetzt gehen wir nach Deutschland, um herauszufinden, wer die Deutschen wirklich sind. Herzlichst willkommen! Bei uns sind alle Meinungen erlaubt. Habt keine Angst, doch aufgepasst: Die Weltwoche ist eine Wundertüte. Sie gefährdet ihre Vorurteile.

Wir sind kein Blatt für Leute, die immer nur in dem bestätigt werden wollen, was sie immer schon zu wissen glaubten. Die Weltwoche gibt Gegensteuer, stört den Gottesdienst, forscht immer nach dem Argument, das die anderen übersehen. Wenn alle Bananen verkaufen, offerieren wir Äpfel.

Weltwoche Deutschland ist für uns ein grosses Abenteuer, Reise ins Ungewisse, eine Erkundungsfahrt, der Versuch auch einer Neuentdeckung. Wir freuen uns darauf. Und es würde mich natürlich riesig freuen, wenn Sie sich darauf einlassen.

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