Nachdem die Serbische Fortschrittspartei (SNS) unter Präsident Aleksandar Vucic die Parlamentswahlen mit 47 Prozent der Stimmen grandios gewonnen hat, empören sich die Medien auch in der Schweiz über eine angeblich «gestohlene Wahl».

Die Opposition – einzig im Kampf gegen den Regierungschef vereinigt – will das Ergebnis der demokratischen Wahlen nicht akzeptieren und protestiert seither täglich und lautstark in Belgrad. Sie zetert über Druck, Manipulation und Stimmenkauf, ohne dies schlüssig zu belegen. Auch die NZZ übernimmt die Erzählung opponierender Studenten und der Wahlverlierer über angebliche Zehntausende von Phantomwählern in den Wählerregistern.

Es blieb indessen beim oppositionellen Aufbäumen keineswegs bei friedlichen Protesten. Die Wahlverlierer vom Oppositionsbündnis «Serbien gegen Gewalt» (SGG) versuchten, das Rathaus in Belgrad gewaltsam zu stürmen, und richteten erhebliche Zerstörungen an. Sie kletterten auf das Gebäude, warfen Steine und schlugen Fenster ein. Nur mit Mühe gelang es der Polizei, die Demonstranten zu verdrängen. Selbstverständlich wurde den Ordnungskräften in den sozialen Medien unverzüglich vorgeworfen, die seien gewaltsam und mit unverhältnismässiger Härte vorgegangen.

Es ist interessant, wie unterschiedlich parallele Vorgänge in den USA und in Serbien von den westlichen Medien kommentiert werden. Als Anhänger von Präsident Donald Trump von einer gestohlenen Wahl, über Fälschungen und Manipulationen berichteten, wurde all dies umgehend ins Reich der Märchen verwiesen. Kaum jemand im westlichen Europa, der Joe Biden und dessen Parteikollegen nicht als lupenreine Demokraten darstellte, die kein Wässerchen hätten trüben können.

Und als dann entfesselte Trump-Anhänger gar noch das Kapitol in Washington stürmten, waren die Kommentatoren fast aus dem Häuschen ob der Taten dieses hemmungslosen Mobs. Wenn sich aber in Belgrad und damit im verhassten Serbien so ziemlich dasselbe Drehbuch abspielt, ist selbstverständlich alles umgekehrt.