Die Gesuche für Baukredite sind ein zuverlässiger Vorlaufindikator, wie sich die Bautätigkeit in den kommenden Monaten entwickeln wird.

Die Wohnbaukredite an private Haushalte sind in einem noch selten gesehenen Ausmass eingebrochen. Im März 2022 wurde mit 32,3 Milliarden Euro Neugeschäft noch der Rekord der letzten zehn Jahre aufgestellt. Im August 2023 waren es noch 14,4 Milliarden. In den ersten acht Monaten 2023 wurden 45 Prozent weniger Neubaukredite gesprochen als im Vorjahr.

Der Grund dafür ist einfach: Die EZB hat mit ihrer Zinspolitik die deutschen Bankzinsen massiv in die Höhe getrieben. Mussten die Bauherren noch Ende 2020 nur 1,08 Prozent für ihre Kredite bezahlen, so waren es im August 2023 mit 3,96 Prozent mehr als das Dreifache. Kein Wunder, halten sich die Bauwilligen zurück. Entweder hoffen sie auf einen Zinsrückgang, oder sie können die hohen Zinsen schlicht nicht mehr bezahlen.

Wer vor zehn Jahren eine zehnjährige Hypothek abgeschlossen hat, wird zwar nur eine Zinserhöhung von damals 2,75 Prozent auf heute 3,75 Prozent verkraften müssen. Wer sich allerdings in den Jahren 2015 und 2016 mit Langfristsätzen von 1,5 bis 1,75 Prozent verschuldet hat, wird eine Verdoppelung seiner Finanzkosten bewältigen müssen. Deshalb werden in den nächsten zwei, drei Jahren, wenn diese Hypotheken auslaufen, viele Schuldner in Finanzprobleme geraten, was auch auf die Banken zurückschlagen könnte.

Aber nicht nur die steigenden Zinsen, sondern auch explodierende Baukosten dämpfen den Neubau. Die Preise für Baumaterialien in Deutschland haben sich im ersten Halbjahr 2023 massiv verteuert. Zement kostete 41,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch für andere mineralische Baustoffe wurde deutlich mehr verlangt, darunter für Kalk und gebrannten Gips (plus 39,7 Prozent), Dachziegel aus keramischen Stoffen (plus 28,7 Prozent), Frischbeton (plus 27,7 Prozent), Bausand (plus 22,7 Prozent) oder Mörtel (plus 18,6 Prozent).

Die Folgen für die deutsche Bauwirtschaft sind existenzbedrohend. Es wird trotz energetischer Sanierungen und Unterhaltsarbeiten zu einem markanten Einbruch kommen. Selbst im sozialen Wohnungsbau werden statt der versprochenen 100.000 neuen Wohnungen pro Jahr wohl nur 25.000 gebaut werden. Die Welle der Sisitierung von Aufträgen setzt sich fort.

Seit 2010 stellten die baugewerblichen Betriebe mehr als 200.000 Beschäftigte zusätzlich ein. Das war ein Zuwachs um fast 30 Prozent. Und die Bauwirtschaft investierte in den letzten Jahren stärker als jede andere Branche in Maschinen und Geräte. Aber nun stockt der Auftragseingang. Seit Mai 2022 ist die Zahl der Baugenehmigungen jeden Monat zurückgegangen. Im August 2023 lagen die Baugenehmigungen um 32 Prozent unter dem Vorjahr und um 45 Prozent unter dem jüngsten Höchststand vom März 2022.

Die Abarbeitung der Auftragsbestände geht zügig voran. Innert Jahresfrist sank der Auftragsbestand wertmässig um 14, volumenmässig um 18 Prozent. Es fehlt an Anschlussaufträgen, und erste Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet. Wenn der Bau jetzt Manpower und Technik verliert, dann daurt es Jahrzehnte, bis er wieder auf die Beine kommt, denn im Bau verläuft der Beschäftigungsabbau sechsmal schneller als der Personalaufbau.

Zu allem Elend sind nun auch noch die Immobilienpreise ins Rutschen geraten, was potenzielle Investoren am Immobilienmarkt in Panik versetzen könnte, denn damit sinkt die Deckung von Bankkrediten. Die Wertverluste gehen voll zu Lasten des Eigenkapitals. Seit dem Höchststand vor Jahresfrist sind die Immobilienpreise in Deutschland per Mitte 2023 um 9,9 Prozent gesunken.

Die 3 Top-Kommentare zu "Wer sich fragt, warum in Deutschland die Mieten explodieren und der Traum vom Eigenheim immer unerschwinglicher wird, dem könnte bei der drohenden Baukrise ein Licht aufgehen. Politiker sollten schleunigst handeln"
  • Chrüütlibuur

    Aber die Politiker handeln doch. Ab heute werden leerstehende Wohnungen für Flüchtlinge enteignet. Im Rechtsstaat Deutschland.

  • 😢◕‿◕😢

    Energetischer Sanierungen und Unterhaltsarbeiten stelle ich auch zurück, jedenfalls solange sich die Situation, für Wohnungsbesitzer, nicht grundlegend geändert hat und die Gängelung der Eigentümer beendet werden.

  • Zobel

    Es gab Jahre, da wurden Familien die Baugrundstücke in Deutschland nachgereicht. Für sieben Euro je qm konnte eine Familie ein erschlossenes Grundstück im thüringer Eichsfeld erwerben. Die Kommunen wollten Familien mit Kindern gewinnen, um ihre Verwaltungen perspektivisch aufrechterhalten zu können. Heute bekommen sie die gefragten Einwohner aus einem Verteilerschlüssel für Asyl und das Dorfgrundstück für Familien liegt bei rund 150 Euro je qm, nah zur Stadt sind es schon 300 € je qm.